Ganze zwei Niederlagen musste Bayern München in der aktuellen Bundesligasaison hinnehmen. Wirklich überraschend war dabei Anfang März die 1:2-Heimpleite des deutschen Rekordmeisters gegen Mainz 05. Martin Schmidt, der Schweizer Trainer der Rheinhessen, diktierte den verdutzten Journalisten an diesem besonderen Abend in die Blöcke, dass er vor der Partie gegenüber seinen Spielern “immer nur von einem Sieg geredet” habe. Aber mal langsam: Lassen sich Siege wirklich herbeireden? Oder zumindest positiv beeinflussen? Oder ist das nur erfunden?
Zum Thema: Erfolgsvisionen, Fokussierung, Selbstwirksamkeit und erfolgsbezogene Suggestionen
Grundsätzlich gilt, dass ein Trainer mit seiner Persönlichkeit einen wichtigen Eckpfeiler für Erfolge darstellt. Besonders wirkungsvoll sind charismatische Trainer, die ihre Emotionen zeigen (Neges & Neges), mit Einfühlungsvermögen arbeiten, authentisch auftreten und mit gutem Vorbild allen voranschreiten. Ralph Krüger, erfolgreicher ehemaliger Schweizer Nationaltrainer im Eishockey, bringt das in seinem Buch Teamlife auf den Punkt. Er spricht über Mitsprache und Verantwortung, über Visionen, Ziele und Aktionen, Respekt, Fokussierung auf Positives und Abgrenzung von Negativem.
Um Spieler richtig motivieren zu können, braucht es die richtigen Zielsetzungen und vor allem Visionen. So kann ein gewandter Trainer viel Potential freisetzen und die Ressourcen seiner Spieler mobilisieren.
Der Weg über den Rubikon
Ein wichtiges Modell, um Motivation zu entwickeln, ist das Rubikon-Modell von Heckhausen und Gollwitzer, welches einzelne Handlungsschritte auf dem Weg zur Handlungsausführung, also zum wirklichen Tun, beschreibt. Dabei gilt grundsätzlich: Je spezifischer bzw. konkreter ein Handlungsziel ist, desto besser für die Handlungsausführung. Es geht um das Abwägen verschiedener Möglichkeiten und der Entscheidung für eine dieser Optionen, was im Ergebnis in einem Umsetzungsplan mündet. Danach erfolgt die reale Durchführung, sprich die Handlung. Zum Schluss weist ein Rückblick, im Sinne einer Beurteilung der Handlung hinsichtlich des Erfolges, den zukünftigen Weg an.
Der konstruktive und zielgerichtete Umgang mit den Ressourcen der Spieler liegt Martin Schmidt augenscheinlich im Blut, sein stetiger Einsatz für seine Mannschaft und sein Commitment bekräftigen dies. Hier kommt ihm sicherlich auch sein Kampfgeist und diejenigen Persönlichkeitsanteile zugute, die ihn vom Mechaniker zum Bundesligatrainer haben werden lassen: Er ist ein Macher, voller Ideen und mit gutem Gespür für die Spieler.
Nach dem Sieg gegen den FC Bayern München sagte Schmidt: «Wir wussten, dass wir den Ballbesitz nicht haben würden. Wir hatten einen Plan und wussten, dass es nur geht, wenn wir uns alle vollkommen reinknien».
Sportpsychologische Techniken anwenden
Schmidt, der seit 2010 in Mainz arbeitet, zu Beginn die zweite Mannschaft betreute und dann im Februar 2015 die Profis übernahm, gelingt es offenbar, die Visionen gut an den Mann zu bringen, und für Überzeugung und Selbstvertrauen zu sorgen. Dahinter verstecken sich einige sportpsychologische Techniken, die sich ein jeder Trainer aneignen und gezielt in den Trainingsalltag einbauen kann.
Nehmen wir die Erfolgsvision, bei der zukünftige Erfolge gezielt visualisiert werden. Hier geht es um die Vorstellung der tollen Gefühle, welche nach dem Erreichen des Erfolges empfunden werden. Ganz nach dem Motto „wie wird es sein, wenn……und wie fühlt sich das an, wenn…“ (Baldasarre et al.). Dadurch wird das Erreichen eines schwierigen Zieles als echte Möglichkeit geübt.
Selbstwirksamkeit aufbauen
Andere Techniken fokussieren auf den Aufbau von Selbstvertrauen (Selbstwirksamkeit), das für die Wettkampfstabilität zentral ist. Dabei lernen die Spieler, ihre Fähigkeiten wahrzunehmen, an diese zu glauben und vergangene Erfolge für sich zu nutzen. Dadurch befähigen sie sich, sich die optimale Leistung zum geforderten Zeitpunkt zuzutrauen und in der Regel auch zu erbringen (Eberspächer).
Last but not least unterstützen auch gekonnt platzierte positive, motivierende, stärkende und erfolgsbezogene Suggestionen. In der hypnotischen Imagination kann man sich die Kraft von Überzeugungen zunutze machen, indem man eine kommende Situation, zum Beispiel ein Spielzug, vorwegnimmt und mehrmals imaginiert. Damit wird im Gehirn genau diese Bahnung tief verankert und gelernt. Die praktische Umsetzung und Durchführung wird dadurch stark erleichtert.
Kraft der Suggestion
Aus der Hypnotherapie wissen wir um die grosse Wirkung von Suggestivkraft auf unser Unterbewusstsein. Sie ist die Fähigkeit einer Person, das Denken, Fühlen und Handeln einer anderen Person durch Worte gezielt beeinflussen zu können. Und das wird umgangssprachlich als „Herbeireden“ bezeichnet, was uns zur ursprünglichen Frage dieses Textes zurückbringt. Dazu abschliessend mein Fazit: Nur schönes Herbeireden alleine nützt nichts und Erfolge bleiben ein Zufallsprodukt. Bei gekonnter, zielgerichteter und konstanter Vorarbeit aber ist es eine erfolgversprechende Notwendigkeit.
http://www.mainz05.de/mainz05/aktuell/news/news-detail/article/martin-schmidt-verlaengert.html
http://www.nzz.ch/sport/wie-martin-schmidt-worten-taten-folgen-liess-fc-bayern-1.18705551
Baldasarre, C., Birrer, D. & Seiler, R. (2003). Krafttraining für die Psyche: Praxisbeilage zur Fachzeitschrift für Sport mobile, 6 Bd. Magglingen: mobile.
Eberspächer, H. (2001). Mentales Training: Ein Handbuch für Trainer und Sportler.
München: sportinform.
Heckhausen, H. & Gollwitzer, P. M. (1987). Thought Contents and Cognitive Functioning in Motivational versus Volitional States of Mind. In: Motivation and Emotion. 11, Nr. 2, S. 101–120.
Janssen, J. (1999). Credible Coaching. In J. Janssen: Championship Team Building: What Every Coach Needs to Know to Build a Motivated, Committed & Cohesive Team (S. 153-168). Tucson: Winning The Mental Game.
Liggett, D. L. (2010). Sporthypnose: Eine neue Stufe des mentalen Trainings. Heidelberg: Carl Auer Verlag.
Neges, G. & Neges, R. (2007). Führungskraft und Team: Teams zusammenstellen und entwickeln – Teampotenzial-Analyse – Strukturiertes Arbeiten in Teams. Wien: Linde Verlag.
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