Wencke Schwarz: Phänomen Schweinehund

Eines vornweg: Ich bin sicher nicht die größte Tierexpertin im Land, dennoch wage ich die Behauptung aufzustellen, dass der Schweinehund die am weitesten verbreitete Hunderasse im deutschsprachigen Raum ist. In meinem ersten Blog-Beitrag für die-sportpsychologen.de (zum Profil) bin ich der Frage nachgegangen, ob auch Spitzensportler den Schweinehund kennen und was Hobby-Athleten von ihrem Umgang mit ihm lernen können?

Zum Thema: Wie schaffe ich es, meinen Schweinhund im Zaum zu halten?

Bei meiner Recherche bin recht schnell auf Aytac Sulu vom SV Darmstadt 98 gestoßen. Der Kapitän des Bundesliga-Aufsteigers sprach kürzlich in ein ARD-Mikrophon: „Das ganze Trainingslager war sehr anstrengend. (…) Jeder einzelne Spieler ist über seine Grenzen gegangen, was den Schweinehund betrifft. Aber das gehört dazu. (…) Wir wollen gut in die Rückserie starten.“ Sulu und seine Darmstädter eignen sich ohnehin bestens als Beispiel dafür, welche Kraft Motivation auslösen kann. Der von vielen Experten vor der Saison als chancenlos eingestufte Aufsteiger hält sich auch nach dem Rückrundenstart prächtig – und Anführer Sulu, der sich den Beinamen “Gladiator” verdient hat, ist ein absolutes Muster, wenn es darum geht, Grenzen zu überwinden, um seine Ziele zu erreichen.

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Schauen wir vor diesem Hintergrund eines der bekanntesten Modelle der Motivationspsychologie in seinen Grundzügen an: Das Rubikon-Modell der Handlungsphasen von Heinz Heckhausen und Peter M., Gollwitzer, aus dem Jahr 1987.

Den Rubikon überschreiten

Der Name des Modells hängt eng mit seinem Inhalt zusammen: Der Rubikon war zur römischen Zeit ein Grenzfluss. Metaphorisch wird mit „den Rubikon überschreiten“ folglich das Passieren einer Grenze gemeint, die eine unwiderrufliche Handlung zur Folge hat. Unter Handlungen werden dabei Aktivitäten verstanden, denen eine Zielvorstellung zugrunde liegt, d.h. bewusst nachvollziehbar ist, aus welchem Grund man etwas getan hat.

Das Rubikon-Modell besteht aus vier Handlungsphasen und legt seinen Fokus auf die Beantwortung von zwei zentralen Fragen der Motivationspsychologie:

  1. Wie werden Handlungsziele ausgewählt?
  2. Wie werden diese Handlungsziele realisiert?

Rubikon-Modell der Handlungsphasen

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Wenn Ziele nicht erreicht werden

Woran liegt es aber, dass das gewünschte Ziel nicht immer erreicht wird? Dies kann sowohl einer falschen Strategie im Vorfeld geschuldet sein, als auch an der fehlenden Bereitschaft für eine notwendige extra Anstrengung liegen, etc. Hinzu kommt, dass eine Person mehrere Ziele verfolgen kann. Jedes Ziel ist für sich gut durchdacht. Jedoch kommt es zu einer sogenannten Querkonkurrenz dieser Ziele untereinander, da z.B. die Zeit nur für eine erfolgreiche Handlung ausreicht. Das Ziel, dass einen am stärksten motiviert und mit dem man sich verbunden fühlt, „gewinnt“ in der Regel.

Also: Spitzensportler haben alle ein klares, deutliches Ziel, das sie extrem stark motiviert und vorantreibt, selbst bei einer unklaren Erfolgswahrscheinlichkeit, wie im Fall von Darmstadt 98. Alle Beteiligten investieren viel Zeit in die Planung bzw. Optimierung. So können sie auf „wenn-dann“-Fälle und Eventualitäten besser und zielgerichteter reagieren.

Beim Handeln fokussieren sie sich klar auf ihr Ziel und sind bereit, große extra Anstrengungen regelmäßig zu investieren. Des Weiteren erarbeiten Profis gezielt viele Erfahrungswerte, werten diese aus, um (noch) effizienter und effektiver zu werden.

Vor diesem Hintergrund wird deutlich, wie und warum Spitzensportler den Schweinhund schnell im Regen stehen lassen können. Aber: Lernen, wie ein Sieger zu denken, kann jeder – auch du. Hier sind fünf Tipps, die dir helfen, dein Ziel motiviert(er) zu erreichen:

Fünf Praxistipps die helfen, Ziele zu erreichen

Tipp 1: Identifiziere deine wirklichen Ziele

Was treibt dich an und weckt deine Begeisterung und dein Interesse? Ist es etwas, dass du selber beeinflussen und realisieren kannst? Das sind die zwei wichtigsten Fragen, die du dir zuerst stellen solltest. Warum? Nur ein Ziel, dass du wirklich erreichen willst, motiviert dich langfristig genug, um verlockende Angebote auf dem Weg auszuschlagen und auf dein Ziel fokussiert zu bleiben. Ist es nur ein „nice to have“, streiche es von deiner Liste. So sparst du Energie für die wirklich wichtigen Dinge und dein Schweinehund kann es nicht als Futter für eines seiner Ablenkungsmanöver verwenden.

Tipp 2: Investiere Denkzeit

Wenn du mehrere Ziele identifiziert hast, überlege genau, welche Priorität sie für dich haben. Spiele danach konkret durch, wieviel Zeit und Energie dich die Erreichung des ersten Ziels kostet. Gehe dabei vom schlechtesten, nicht vom besten Fall aus. Frage dich erst mit diesem Bild vor Augen, ob du realistisch jetzt noch genug Motivation und Zeit für dein Ziel auf Platz zwei hast. Wenn nicht, konzentriere dich nur auf das Erste. Dadurch vermeidest du, dich selber in eine Zwickmühle zu bringen und nimmst dem Schweinhund eine Angriffsfläche.

Tipp 3: Gut gezielt, ist halb getroffen

Wenn dein Ziel für dich feststeht, überlege dir in Ruhe, wie du das Ziel Schritt für Schritt erreichst. Spiel, wie im Film, verschiedene Szenarien durch und vergiss nicht die Stellen einzubinden, an denen du stolperst und es trotzdem schaffst. Stolpern und „schlechte“ Tage gehören zum Leben dazu. Deshalb ist es gerade gut, hier zu überlegen, wie du dich an diesen Tagen verhalten willst. All diese Gedanken bewirken, dass du den Weg zum Ziel immer konkreter werden lässt. Hilfreich sind zudem Impulse und Erfahrungswerte von außen, gerade von Personen, die das gleiche oder ein ähnliches Ziel verfolgen. Frage nach, erweitere deinen Handlungsspielraum und steh öffentlich zu deinem Ziel.

Tipp 4: Erfolg buchstabiert man T.U.N.

In den Wartezeiten kannst du immer wieder in die Phase des Planens zurückkehren und mit Hilfe deiner Erfahrungen deine Strategien und Verhaltensweisen anpassen. Wichtig ist jedoch zu wissen, dass du nie, ich betone nie, alle Dinge bedenken oder gar beantworten kannst. Achte darauf, dass dich dein Schweinehund nicht durch „was wäre, wenn dies oder jenes“-Fragen vom Tun abhält und du sinnbildlich in ein Gespräch verwickelst stehen bleibst. T.U.N ist der Schlüssel zum Erfolg und jeder Weg fängt mit dem ersten Schritt an.

Tipp 5: Erfolg ist erlernbar

Die Überwindung deines inneren Schweinehundes lohnt sich! Das erfährst du allerdings erst, wenn du ihn bezwungen hast und schon alleine deshalb auf dich stolz sein darfst. In den meisten Fällen merkst du dann, dass es doch nicht soooo schlimm ist, z.B. im Regen zu laufen. Vielleicht gefällt es dir sogar, weil bei diesem Wetter die Luft besonders klar und toll zu riechen ist. Je öfter du den inneren Kampf gewinnst, desto mehr positive Erfahrungen kannst du dem Schweinehund entgegensetzen und ihn dadurch schrumpfen lassen oder gar verjagen. Manche Verhaltensweisen werden mit der Zeit zur Gewohnheit, so dass hier keine Diskussionen mehr aufkommen. Um im Beispiel zu bleiben: Rausgucken, sich passende Laufkleidung anziehen und einfach loslaufen ohne vorher über den Einfluss der (un)perfekten Wetterbedingungen mit deinem Schweinehund lamentieren zu müssen.

Halten wir fest: den inneren Schweinehund wird es immer geben. Sieh ihn als sportlichen Herausforderer, der deine Willensstärke und Zielmotivation überprüft. „Ohne Preis, keinen Fleiß“ gilt in der Regel, deshalb lass dich nicht von einem schlechten Tag oder einem missglückten Versuch abschrecken.

Ein Extra-Tipp zum Abschluss: Behalte dein Ziel vor Augen

Je deutlicher dir dein Ziel vor dem inneren Auge steht, desto mehr hältst du den Fokus über die Zeit. Such dir ein Bild aus, der sinnbildlich für dein Ziel steht. Häng es dir an die Kühlschranktür, stell es vor den Badezimmerspiegel und wähl es als Sperrbildschirm auf deinem Smartphone aus. So führst du es dir regelmäßig im Alltag vor Augen und richtest deinen inneren Kompass immer wieder darauf aus und motivierst dich. Wetten, dass die Darmstädter im Geheimen auch mit einem solchen Bild arbeiten?

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Wencke Schwarz
Wencke Schwarzhttp://www.die-sportpsychologen.de/wencke-schwarz/

Sportarten: Triathlon, Radsport, Leichtathletik, Tennis, Golf, Kampfsport, Reiten sowie Trendsportarten und eSports, u.a.

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