Die neunte Niederlage in 13 Bundesliga-Spielen besiegelte das Ende des Trainerengagements von Alexander Zorniger beim VfB Stuttgart. Zugegeben, der Auftritt bei der 0:4-Heimpleite gegen den FC Augsburg war desolat. Aber wird nun wirklich alles gut beim VfB? Können sich die Schwaben auf einen nachweislichen Effekt nach dem Trainerwechsel verlassen? Sportpsychologe Dr. René Paasch über Sinn und Unsinn des rotierenden Trainerkarussells.
Zum Thema: In welchen Situationen sind Trainerentlassungen eine Option?
Die Sportpsychologen Bernd Strauss und Alexandra Tippenhauer haben in 35 Spielzeiten zwischen 1963 und 1998 mehr als 10.000 Bundesligaspieleergebnisse unter anderem im Hinblick auf den Effekt von Trainerwechseln analysiert. Das Fazit der Wissenschaftler: Der Rauswurf ist die falsche Strategie. Die neuen Trainer hätten dann keine Besserung gebracht, wenn die alten nur wegen der Ergebnisse gehen mussten. Häufig hätten neue Trainer zwar einen kurzfristigen Aufwind gebracht, seien dann aber umso unsanfter mit ihrer Mannschaft wieder abgestürzt. Strauss und Tippenhauer führen die alljährlich wiederkehrende Entlassungswelle in der Fußballbundesliga auf den hohen öffentlichen Druck zurück, dem Manager und Vereinsführung ausgesetzt sind. Man geht davon aus, neu starten zu können und vergisst dabei, dass die Spieler ja dieselben bleiben. Oft ist eine Entscheidung für einen Trainerwechsel damit vielmehr von Emotionen und Medien gelenkt als rational begründbar.
Doch unter welchen Umständen macht es Sinn, einen Trainerwechsel zu vollziehen? Beispielsweise, wenn es Unstimmigkeiten innerhalb der Mannschaft gibt, die sich durch offene Gespräche nicht lösen lassen. Es kann durchaus passieren, dass es im Team zu einem Gefühl von Benachteiligung kommt, weil der Trainer vermeintlich Spieler bevorzugt. Dann kann ein Wechsel sogar zwingend erforderlich sein. Auch ein erfolgreicher Trainer kann entlassen werden, wenn man feststellen muss, dass sich Trainer und Mannschaft nicht mehr weiterentwickeln, wie im Fall von Jürgen Klopp, ehemals Trainer von Borussia Dortmund. Ein Trainer braucht eine klare Philosophie, aber er muss sich und das Spiel seines Teams auch immer wieder an neue Gegebenheiten anpassen.
Die Hoffnung auf den „psychologischen Effekt“
Wenn ein Verein seinen Trainer entlässt, dann hoffen die Verantwortlichen – ungeachtet der zitierten Statistiken – auf einen „psychologischen Effekt“. Von besser kehrenden neuen Besen ist dann oft die Rede, von gelösten Blockaden und frischen Winden – doch so genau weiß niemand, was da wirklich innerhalb einer Mannschaft vorgeht. Grundlegend gilt, dass ein Trainerwechsel einen Neubeginn darstellt. Mancher Stammspieler bekommt dadurch einen Tritt in den Allerwertesten und mancher Ersatzspieler Hoffnung auf die Startelf. Jeder Spieler im Kader will bei den ersten Einheiten mit dem neuen Trainer beweisen, dass er in die Mannschaft gehört – so weit ein nachvollziehbarer Effekt. Allerdings kann sich das Vorzeichen Trainerwechsel auch ins Negative umkehren. So resultiert Misserfolg nach einem Trainerwechsel daraus, dass der neue Trainer die Mannschaft nicht kennt. Wenn es dem Trainer aber gelingt, die eigene Kompetenzerwartung der Spieler zu erhöhen und dies mit einer kleinen Erfolgsserie zusammenfällt, dann kann es wiederum mit dem Aufschwung klappen, wie im Fall von André Schubert als neuem Trainer von Borussia Mönchengladbach.
Schlussendlich muss man überzeugt sein von der Leistungsfähigkeit seines Trainers, dem Trainerteam und der Mannschaft. Kontinuität ist ein entscheidender Erfolgsfaktor in diesem Zusammenhang, ganz unabhängig von der aktuellen Tabellensituation. Aus meiner Sicht, muss man dem Trainer und der Mannschaft eine schlechtere Saison zugestehen, wenn man von der Idee, die sie verfolgen, überzeugt ist. Eine Überzeugung, die beim VfB Stuttgart womöglich auch zwischenzeitlich in die Zweite Liga hätte führen können – aber solche Gedankenwege scheinen in der Bundesliga verboten zu sein.
Literatur
Schmidt, S. (2011). In the Line of Fire: Verweildauer von Bundesligatrainern und CEOs in Deutschland. Eine vergleichende Analyse. EBS Buisness School: Research Paper Series, 11 – 02.
Tippenhauer, A./Strauss, B. (2003). Trainerentlassungen in der Fußballbundesliga, S. 334. In: Bernd Strauss et al. (Hrsg.): Sport goes media Czwalina Verlag: Hamburg
Frick B, Barros CP, Prinz J (2010) Analysing head coach dismissals in the German ‘‘Bundesliga’’ with a mixed logit approach. European Journal of Operational Research 200: 151–159.
Barros CP, Frick B, Passos J (2009) Coaching for survival: The hazards of head coach careers in the German ‘Bundesliga’. Applied Economics 41: 3303–3311.
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