Vor genau einem Jahr geschah das, was sich letzte Woche beim WTA-Turnier in Luxemburg wiederholte: Andrea Petkovic musste sich bereits in der allerersten Runde geschlagen geben. Pikant dabei: Die zurückliegenden zwölf Monate waren keineswegs erfolgreich für die sonst sehr ehrgeizige, aber immer schon von Verletzungen und Pausen geprägten Tennisspielerin. Von Platz 13 der Weltrangliste fiel sie nun auf Platz 20. Sie ist perfektionistisch und hat beim Tennis Angst, die Kontrolle zu verlieren. Laut der Fed-Cup-Teamchefin Barbara Rittner, fehlt Petkovic momentan der Spaß am Tennis, an dem, was sie eigentlich am meisten liebt.
Zum Thema: Leistungstief überwinden und den Spaß am Tennis zurückgewinnen
Wie in meinem Blog-Beitrag vom 25.01.2015 (Andrea Petkovics Teufel) bereits angedeutet, hätten erste Anzeichen für eine schwierige Phase Petkovics in der Pressekonferenz nach der Erstrunden-Niederlage in Luxemburg letzten Jahres festgestellt werden können. Und genau diese Vorboten haben sich bewahrheitet und über das ganze Jahr hin verstärkt. Andrea Petkovic wirkt unzufrieden, unkontrolliert und weiterhin geplagt von den “kleinen Teufeln” in ihrem Kopf (taz, 19.01.2015). Diese negativen Gedanken finden sich in etlichen Niederlagen der letzten Monate wieder. Die überaus strebsame und anspruchsvolle Tennisspielerin geht mit ihren Gedanken und “Schwächen” offen um, gibt dazu Interviews und versucht in diesen nicht allzu Ernst mit dem Thema umzugehen, um sich so eventuell auch weniger angreifbar zu machen. Sie kann sich offensichtlich gut einschätzen und kennt die Faktoren, die sie merklich hemmen. An diesem Punkt ist aus sportpsychologischer Sicht der Schritt vom Erkennen der aktuell kritischen Situation zum Erlernen von Bewältigungsstrategien für den funktionalen Umgang mit belastenden Gedanken und Ereignissen dringend erforderlich. Die Rückblicke auf das Jahr lassen vermuten, dass Andrea Petkovic dieser Schritt noch nicht gelungen ist.
Schritt für Schritt aus dem Leistungstief
Nach Interviews der letzten Monate zu urteilen, gibt es einige mentale Herausforderungen für Andrea Petkovic, die jedoch erst nach und nach bewältigt werden sollten, um einer Überforderung zu entgehen. Um systematisch vorgehen zu können, wäre eine Einordnung der Problematik und das Erläutern der Zusammenhänge verschiedener negativer Gedanken, Ereignisse und Verhaltensweisen sinnvoll. Es bestehen hier in jedem Fall unterschiedliche Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge, die aufgearbeitet und in kleinen Schritten bearbeitet werden sollten. Zunächst sollte eine Bewertung dieser Zusammenhänge und der zurückliegenden Situationen seitens der Sportlerin stattfinden, um daraufhin das Bewusstsein für eine funktionale Umbewertung zu schaffen. Wichtig ist hierbei, dass die Ereignisse nicht als schicksalhaft oder unkontrollierbar eingestuft werden, um das Gefühl von Ohnmacht zu vermeiden. Kontrolltechniken dienen dazu, die empfundene Hilflosigkeit aufzuarbeiten und den Auslöser zu bestimmen, um daraufhin genau diese kontrollieren zu können und in den Hintergrund rücken zu lassen. Hier ist es ebenfalls wichtig, nicht ausschließlich über die negativen Erlebnisse zu sprechen, sondern auch für jede Situation ein positives Beispiel des eigenen Verhaltens und Handelns zu benennen. Dieses Vorgehen kann durch einen Videozusammenschnitt des Sportlers unterstützt werden, damit das Positive und der Spaß am Tennis wieder vor die “kleinen Teufeln” rücken kann.
Spaß oder nur noch Pflicht?
Ohne Frage kann auch einem Berufssportler zwischendurch mal die Lust an seinem Sport vergehen. Wenn diese jedoch gänzlich wegbleibt und ein Sportler kaum noch Sinn in seiner Tätigkeit sieht, ist es nicht möglich, über einen längeren Zeitraum stetig Höchstleistungen zu erbringen. Auch ein Profisportler muss stets eine gewisse Freude und Leidenschaft für seinen Sport empfinden, um sich den Herausforderungen und Erwartungen stellen zu können und sich nicht “entblößt” zu fühlen wie Andrea Petkovic, wenn beispielsweise die Emotionsregulation auf dem Platz nicht gelingt. Um den Spaß am Tennis wieder zu gewinnen, sollte ein schrittweises Vorgehen zur Bewältigung der missglückten Saison stattfinden. Hier ist gewiss ein hoher Grad an Geduld gefragt, welches die dringend erforderliche Aufarbeitung des letzten Jahres allerdings nicht trüben sollte, denn für die “kleinen Teufel” im Kopf reicht die Geduld schon lange nicht mehr.
Weiterführende Literatur:
Alfermann, D. & Stoll, O. (2012). Sportpsychologie: Ein Lehrbuch in 12 Lektionen. Aachen: Meyer & Meyer Verlag.
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