Im Sport gehört die Suche nach Grenzen dazu. Oft geht dies mit dem Bruch von Gewohnheiten einher, nicht selten entstehen dadurch neue Disziplinen, manchmal sogar ganze Sportarten und für den Aktiven selbst öffnen sich neue Welten. Stellen Sie sich mal vor, liebe Ausdauerathleten, Sie werden über Nacht vom Individual- zum Mannschaftssportler.
Zum Thema: Transalpine Run – Das Etappenrennen über die Alpen aus sozialpsychologischer Sicht
Auch wenn es längere und schwierige Trail-Läufe gibt, so bleibt der Transalpine Run (TAR), der am ersten Sonntag im September endete, für den geneigten Trail-Runner wohl das Maß aller Dinge. Die Fakten sind schnell zusammengefasst: 8 Etappen, insgesamt 268,3, km von Oberstdorf nach Sulden, alleine 16.310 Höhenmeter im Anstieg und 14.532 Höhenmeter im Abstieg. Drei Länder, Acht Orte. (http://www.transalpine-run.com/).
Trail-Running – eigentlich eine Individualsportart! Warum sollte man diese Sportart aus einer sozialpsychologischen Sicht betrachten? Die Antwort auf diese Frage liegt in dem speziellen Rennformat dieses Wettkampfes. Denn man darf am TAR nur als „Paar“ teilnehmen. Psychologen reden hier eher von „Dyaden“, denn „Paar“ kann ja alltagssprachlich betrachtet auch ganz anders interpretiert werden. Gestartet werden darf also als „Team“, entweder als reines Männer- oder reines Frauenteam oder aber auch als Mixed-Team. Immer zwei Personen am Start, und jeden Tag, acht Tage lang und man muss auch immer gemeinsam am (Tages-)Ziel ankommen. Und schwupp – schon wird aus einer Individualsportart plötzlich etwas „ganz anderes“.
Weitgehend unerforschtes Terrain
Ursprünglich ist diese Idee des Veranstalters aus Sicherheitsüberlegungen entstanden. Läuft man zu zweit, kann man auch besser aufeinander aufpassen, insbesondere auch in gefährlichen Passagen. Das Resultat ist nun eine Sportart, die ich persönlich, als Wissenschaftler und auch als Trail-Runner, hochspannend finde. Forschung hierzu liegt nämlich noch keine vor. Ja – es gibt natürlich Forschung zur Funktion von sozialer Unterstützung im Leistungskontext (siehe hierzu auch Schunk, 1995, oder die Arbeiten der Arbeitsgruppe von Ralf Schwarzer in dem achtziger Jahren). Und es gibt einiges weniges zu sportpsychologischen Fragestellungen im Trail-Running (Jungk, 2014, Janouch, 2015 – Link zu unseren Blog-Beiträgen), aber es gibt eben noch nichts in diesem Zusammenhang.
Wovon ist aus rein psychologischer Sicht auszugehen? Der Haupteffekt von sozialer Unterstützung in Leistungskontexten ist grundsätzlich positiv für die im Team agierenden Individuen. Dabei spielt der sogenannte „Puffereffekt“ eine zentrale Rolle. Soziale Unterstützung wirkt stresspuffernd, d.h. dass die Auswirkungen einer Belastung gedämpft werden bzw. verschwinden – zumindest in den Wahrnehmungen der im Team agierenden Läuferinnen und Läufer. Dieser Effekt lässt sich auch durch meine 100 km-Erfahrung in Biel, bei dem mich meine Lebensgefährtin Frauke immer wieder aufgebaut hat, gut belegen (siehe hierzu auch www.einmalwarichinbiel.de).
Unterstützung, wenn es passt
Was versteckt sich nun aber eigentlich hinter dem Begriff der „Sozialen Unterstützung“? Wir unterscheiden dabei die sogenannte emotionale von der instrumentellen Unterstützung. Die eher emotional gefärbte, soziale Unterstützung zeichnet sich dadurch aus, dass positive Gefühle, persönliche Nähe und Vertrauen beim Problemlösen wahrgenommen werden. Zumeist geschieht dies über Gespräche, gegenseitige Ermutigung, einem wahrgenommenen Rückhalt und konstruktive Rückmeldung bzw. aktivem Zuhören während des Laufens. Instrumentelle Unterstützung zeichnet sich durch direktes praktisches helfen aus, etwa durch das Helfen beim Vorlaufen im Downhill, in Klettersteigpassagen, beim Aushelfen mit Nahrung und Wasser oder bei der Orientierung im Gelände.
Dass also soziale Unterstützung beim Laufen im Team helfen kann, liegt auf der Hand, aber ob es das immer tut, steht auf einem anderen Blatt Papier. Voraussetzung dafür ist nämlich, dass „die Chemie stimmt“. Geht man von falschen Voraussetzungen aus oder hat man jeweils andere Ziele (spezifische Laufzeiten, erwarteter Podestplatz, Selbstdarstellung in der Öffentlichkeit, etc.), dann kann eine solche „Verbindung auf Zeit“ ganz schön schwierig und äußerst belastend werden. Möchte man also dafür sorgen, dass die Teilnahme am TAR nicht in einem Albtraum endet, dann bereitet man diesen – auch mit Hinblick auf das Laufen im Team – gut vor, d.h. man sucht sich seinen Partner gut aus, trainiert hin und wieder gemeinsam, spricht sehr offen und ehrlich über Möglichkeiten und Grenzen und plant diesen Event auch möglichst gemeinsam. Beachtet man dies, dann liegen die Karten gut für ein emotionsreiches Finish in Sulden im schönen Südtirol nach gemeinsam zurück gelegten knapp 270 Kilometern über den Alpenhauptkamm. Für Individualsportler ist es eine außergewöhnliche Erfahung.
Literatur
Janouch, C. (2015). Trailrunning: Motivationale Zugänge und Persönlichkeitsstrukturen von Trailläufern. Master-Thesis. Halle (Saale): Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Institut für Kommunikation, Medien & Sport, Department Sportwissenschaft.
Jungk, P. (2014). Teilnahmemotive von Trail-Läufern. Bachelor-Thesis. Halle (Saale): Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Institut für Kommunikation, Medien & Sport, Department Sportwissenschaft.
Schunk, D. H. (1995). Self-efficacy, motivation, and performance. Journal of Applied Sport Psychology, 7 (2), 1125137.
Schwarzer, R. (1985). Social support and stress: Causal models. In R. Schwarzer (Hrsg.), Stress and social support (S. 227-238). Berlin: Freie Universität Berlin.
Schwarzer, R. & Leppin, A. (1988). Social support: The many faces of helpful social interactions. International Journal of Education Research, 12 (3), 333-345.
Schwarzer, R. & Leppin, A. (1989). Sozialer Rückhalt und Gesundheit. Göttingen: Hogrefe.
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Können Sie mir weiterhelfen? Ich leide unter Laufsucht.. Wenn ich nicht täglich mindestens einmal oder zweimal laufen kann, fühle ich mich wie unter Strom und kann anderes kaum genießen..