Bald startet die neue Bundesligasaison. In der letzten Phase der Vorbereitung arbeiten Trainer und Mannschaften am Feinschliff für die anstehende Runde. Taktische Formationen und Systeme werden im Training einstudiert und in Testspielen auf ihre Tauglichkeit hin überprüft. Quasi nebenbei gilt es, die in der Sommerpause verpflichteten Spieler ins Team zu integrieren. Weil Sportmannschaften ein spezielles Konstrukt sind, muss dies nicht ohne weiteres gelingen. Nicht selten stoßen die Neuen auf Widerstand, wenn etwa die Etablierten um ihren Platz fürchten, zu viele Spieler neu sind oder die Mannschaft eine echt eingeschworene Truppe darstellt.
Zum Thema: Wie das Patensystem die Integration von Neuverpflichtungen erleichtern kann
Definitionsmerkmale von Gruppen und Mannschaften
Gruppen spielen in zweierlei Hinsicht, quantitativ wie qualitativ, eine bedeutende Rolle im sozialen Zusammenleben: Quantitativ in der Weise, dass es eine Vielzahl von Gruppen gibt, denen ein Mensch im Laufe seines Lebens angehört, und qualitativ in der Form, dass Gruppen und die Zugehörigkeit zu Gruppen einen bedeutsamen Einfluss auf die Entwicklung von Menschen haben. Nach Carron/Hausenblas (1998) sind Gruppen somit mehr als die Summe ihrer Einzelteile, also mehr als die Addition der Eigenschaften ihrer Mitglieder. Sie haben vielmehr eine eigene Qualität und können eine eigene Dynamik entwickeln.
Was sind die wesentlichen Merkmale, die eine Gruppe ausmacht? Man kann von einer Gruppe sprechen, wenn sie aus mindestens zwei Personen besteht, jedes Mitglied sich der anderen Mitglieder bewusst ist und eine wechselseitige Kommunikation und Einflussnahme aller Gruppenmitglieder untereinander möglich ist. Darüber hinaus werden gemeinsame Ziele und Aufgaben, die Entwicklung eines Wir-Gefühls bzw. Zusammenhalts und eine gewisse zeitliche Kontinuität der Gruppe als Merkmal genannt (Alfermann/Strauß, 2001). Sicherlich lässt sich nicht immer eindeutig bestimmen, ob die Definitionsmerkmale erfüllt sind, um von einer Gruppe sprechen zu können. Carron/Hausenblas (1998) sehen darüber hinaus in Mannschaften eine spezielle Art von Gruppe, weil Sportmannschaften eine gemeinsame Identität entwickeln, ein gemeinsames Schicksal teilen, ein gemeinsames Ziel verfolgen, die Teammitglieder gegenseitig voneinander abhängig sind und interpersonelle Attraktion der Gruppenmitglieder vorliegt, da die Interaktions- und Kommunikationsmuster durch die jeweiligen Regeln der Sportart strukturiert und determiniert sind.
Integration in eine bestehende Mannschaft
Die Vergangenheit zeigt, dass es nicht immer gelingt, Neuverpflichtung ins Team einzubauen. Nach Linz (2014) ist die Integration neuer Spieler besonders erschwert, wenn
- die Mannschaft sehr verschworen ist.
- die vorhandenen Spieler um ihre Einsatzzeit fürchten.
- der neue Spieler sich nicht an die gegebenen Strukturen anpassen will.
- der Neue von der Persönlichkeit bzw. vom Charakter her nicht zur Mannschaft passt.
- die Neuverpflichtung gegen den Willen des Trainer getätigt wurde.
- mehrere Spieler gleichzeitig verpflichtet werden.
Was können Trainer unternehmen, dass keine Unstimmigkeiten innerhalb der Mannschaft aufkommen und ein erfolgreicher Start in die Saison gelingt?
Fremdheit führt zu Distanz, Vertrautheit zu Nähe
Ziel ist es, „Grüppchenbildungen“ zu vermeiden und Distanz zwischen „Alten“ und „Neuen“ zu verringern. Insbesondere im leistungsorientierten Sport entscheiden gerade Kleinigkeiten über Sieg und Niederlage. Wie Zusammenhalt eine Mannschaft zu Höchstleistungen beflügeln kann, konnte schon mehrfach in der Sportwelt beobachtet werden. Damit sich u.a. ein solches Wir-Gefühl entwickelt, können kleinere Übungen helfen, sich besser kennenzulernen und Vertrautheit aufzubauen. So könnte beispielsweise ein Patensystem (vgl. Linz, 2014) installiert werden. Dabei übernimmt ein etablierter Spieler die Verantwortung für den Neuen. Dies beinhaltet unter anderem, als Ansprechpartner zur Verfügung zu stehen und in die Regeln und Gebräuche der Mannschaft einzuführen. Diese oder andere Maßnahmen bezwecken, den neuen Spielern das Gefühl zu geben, willkommen zu sein, die Integration in das bestehende Gefüge/System zu erleichtern und einzelne, tiefere Verbindungen zwischen den beiden Gruppen zu schaffen. Dies ist nur eine von vielen Möglichkeiten, Spielern den Einstieg in ein neues Team zu erleichtern. Hier sind der Kreativität des Trainers keine Grenzen gesetzt. Sollte der Coach jedoch Schwierigkeiten haben, kann ein Sportpsychologe mit ins Boot genommen werden, der diesen Prozess begleitet.
Fazit
Es bleibt festzuhalten, dass Trainer und Mannschaft gerade in der Transferperiode immer wieder mit der Situation konfrontiert werden, neue Spieler in das bestehende System integrieren zu müssen. Hieraus können Probleme innerhalb des Teams entstehen, die sich mittel- bis kurzfristig auf die Leistung der gesamten Mannschaft auswirken. Den Verantwortlichen stehen diesem „Problem“ jedoch nicht hilflos gegenüber, sondern können gezielt Einfluss darauf nehmen, neue Mitspieler aufzunehmen und den Gruppenzusammenhalt zu stärken.
Literatur:
Alfermann, D./Strauß, B. (2001). Soziale Prozesse im Sport. In: Gabler, H., Nitsch, J. R., Singer, R. (Hrsg.). Einführung in die Sportpsychologie Band 2: Anwendungsfelder. Karl Hofmann Verlag: Schorndorf.
Carron, A. V., Hausenblas, H., Eys, M. A. (1998). Group dynamics in sport Fitness Information Technology. Morgantown, WV.
Linz, L. (2014). Erfolgreiches Teamcoaching: Ein Team bilden, Ziele definieren, Konflikte lösen. Meyer&Meyer Verlag: Aachen.
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