Trail-Running, eine Sportart, die einen Zeitgeist wiederspiegelt? Die Laufveranstaltungen in schwierigem, sehr hügeligem Gelände, in reinster, manchmal sogar fast unberührter Natur über mitunter nicht wenige Kilometer, freuen sich über immer weiter wachsende Teilnehmerzahlen. Nach der Lauf- und Joggingbewegung, Anfang der 70er Jahre und den anschließenden weiter wachsenden Stadtmarathonläufen in den 1980er und 1990er Jahren sehen wir uns einer „neuen“ Ausdauersportart gegenüber. Eine sportpsychologische Arbeit geht den Motiven nach, die immer mehr Läufer in die Berge treibt.
Zum Thema: Was ist das Besondere am Trail-Running?
Trail-Running ist ein Trend. Manche Zeitgenossen behaupten zwar, das habe es schon immer gegeben. Man nennt und nannte das auch „Waldlauf“, „Orientierungslauf“ oder „Crosslauf“. Auch wenn daran ein Fünkchen Wahrheit steckt, so einfach ist es dann doch nicht. So etwas wie die Zugspitz-Trail-Challenge“, die „Salomon-4Trails“ oder den „Transalpine“ gab es früher nicht. Damit sind Mehrtages-Etappen-Läufe über mehrere Gebirgszüge gemeint, die den Athleten oftmals an die Grenze seiner Leistungsfähigkeit bringen. Warum tut sich so etwas jemand an? Genau dieser Frage ging Jungk (2014) im Rahmen seiner Bachelor-Thesis nach. Die Basis dafür bildete ein Artikel von Stoll et al (2000), die damals die Teilnahmemotive von Stadtmarathon- und Ultramarathonläufern untersuchten und damals schon interessantes zu Tage brachten. Die Gründe für die Teilnahme an solchen Läufen hatten weniger mit Anerkennung oder Wettkampferleben zu tun, sondern es waren viel mehr Sinngebungs- und Gesundheitsmotive, die bei den untersuchten Läuferinnen und Läufern dominierten. Zusätzlich fanden die Autoren heraus, dass die untersuchte Ultraläuferstichprobe – entgegen der landläufigen Meinung – in ihren Persönlichkeitsprofilen im Durchschnitt völlig unauffällig war (Stoll & Rolle, 1997).
Motivstrukturen verändern sich mit Lauferfahrung
Paul Jungk (2014) befragte also insgesamt 104 Trail-Läufer im Rahmen der diesjährigen „Zugspitz-Trailrun-Challenge“ (75 männlich und 29 weiblich) mit einem Durchschnittsalter von 40,93 Jahren. Als Messinstrument kam der Fragebogen MOMS-G (Motives of Marathoner Scale – German, Stoll et al., 2000) zum Einsatz, den wir um eine weitere Subskala „Naturerleben“ erweiterten. Somit umfasste der neue Fragebogen Trail-MOMS zehn Motivdimensionen (Sinngebung, Selbstwert, Psychische Gesundheit, Persönliche Zielerreichung, Wettkampf, Anerkennung, Zusammensein, Allgemeine Gesundheitsorientierung und Naturerleben). Die statistische Analyse der Daten zeigte zunächst, dass der Fragebogen mit der neuen Dimension „Naturerleben“ nichts an Zuverlässigkeit verloren hat (Cronbach’s Alpha der neuen Dimension = .722). Das wohl interessanteste, aber sicherlich auch so erwartete Ergebnis liegt in der Tatsache, dass die Ausprägung in der Dimension „Naturerleben“ am stärksten war (Auf einer Skala zwischen 1 und 7 liegt der Mittelwert bei 5.48, gefolgt von „Zusammensein“ (Mittelwert 4,54) und der Allgemeinen Gesundheitsorientierung sowie Persönlichen Zielerreichung in etwa gleich auf (Mittelwert 4,40). Das Motiv der Anerkennung spielte in diesem Zusammenhang eine eher untergeordnete Rolle (Mittelwert 2,10). Analysiert wurde darüber hinaus, ob sich die Motivstrukturen mit der Lauferfahrung verändern. Wir finden einen Anstieg in den Motiven der Sinngebung sowie der Allgemeinen Gesundheitsorientierung bei den Läufern mit mehr Erfahrung im Trail-Running (> 10 Teilnahmen an solchen Events) im Vergleich zu den Athleten mit weniger Erfahrung (< als 10 Teilnahmen an solchen Läufen). Das Anerkennungsmotiv ist im Übrigen hier im Vergleich deutlich niedriger ausgeprägt. Schließlich zeigen sich geschlechtsspezifische Unterschiede. Während weibliche Trail-Runner höhere Ausprägungen in den Dimensionen „Sinngebung“ und „Psychische Gesundheit“ aufweisen, zeigen Männer höhere Ausprägungen in den Motivausprägungen „Wettkampf“ und „Zusammensein“.
Was lernen wir also aus diesen Ergebnissen? Die Motivstruktur von Trail-Läufern ist durchaus vergleichbar mit den Strukturen von Stadtmarathonläufern (vgl. Stoll et al., 2000), aber eben erweitert um das sehr stark ausgeprägte Motiv des „Naturerlebens“ bei der Trail-Läufer-Stichprobe. Sinngebung und Gesundheitsorientierung steigt mit der Lauferfahrung und teilweise unterscheiden sich Männer von Frauen in ihren Motiven zum Trail-Running, wobei dies teilweise nicht erwartungskonform ausfällt. Insbesondere die höhere soziale Orientierung sowie die niedrigere Sinngebungsausprägung der Männer in diesem Zusammenhang fallen hier auf. Ich bin sehr gespannt, wie sich diese, besondere Läuferszene weiterentwickelt und inwiefern die sportpsychologische Forschung diesen Trend aufgreift und weiter untersuchen wird.
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Literatur:
Jungk, P. (2014). Teilnahmemotive von Trail-Läufern. Bachelor-Thesis. Halle (Saale): Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Institut für Kommunikation, Medien & Sport, Department Sportwissenschaft.
Stoll, O. & Rolle, J. (1997) Persönlichkeitsprofile und habituelle Streßbewältigung von Ultralangstreckenläufern. Sportwissenschaft, 27 (2), 161-172
Stoll, O., Würth, S. & Ogles, B. (2000). Zur Teilnahmemotivation von Marathon- Ultramarathonläufern. Sportwissenschaft, 30, 54-67.
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Man hört immer wieder mal, dass man Trailläufe in dne Bergen wegen der schönen Aussicht usw. macht. ist das wirklich so oder reden wir uns das nur ein? Bergauf läuft mein Puls am Anschlag und ich bin damit beschäftigt, die Körperfunktionen in einem grünen Bereich zuhalten. Ich für meinen Teil schaue wesentlich öfter auf die Pulsuhr als auf die Landschaft. Bergab erfordert der Weg dann voll Konzentration um einen Sturz zu vermeiden. Sicherlich gibt es auch die Spezies, die das Ganze als Naturerfahrung sieht. Das sind dann die, die alle paar Meter Fotos machen oder mit einem Partner unterwgs sind und dann aber eher mit ihren Dialogen beschäftigt sind.
Für mich sind eher folgende Anreize ausschlaggebend:
– der Leistungsdruck ist weit niedriger. Ob Du 15 min schneller oder langsamer bist interessiert danach keinen, beim Stadtmarathon ist hingegen jede Zeit vergleichbar.
– das Publikum bei den langen Trails ist wesentlich entspannter, es gibt eher eine Gemeinschaft, primär ist das Ankommen das Ziel und weniger die Zeit.
– ich lote meinen Grenzbereich aus. Bisher kein Ultratrail wo ich keinen Durchhänger hatte. Beim Irontrail vor zwei Jahren war es extrem. Ich hatte Gels vom Veranstalter genommen, die ich nicht vertragen habe. Folge war Brechen und ein Hungerast schon nach drei Stunden. Ich saß 15 min heulend an der Strecke, hatte innerlich schon aufgegeben, mich dann aber wieder gefangen und das Ganze relativ gut beendet. Das sind die Augenblicke, die einen dann stolz auf sich selbst machen, motivieren, in Erinnerung bleiben und stärken. Beim Stadtmarathon weißt Du, dass zwischen km 30 und 40 meist ein vom Verlauf erwartbarer Einbruch kommt. Noch ein paar Minuten mehr oder weniger weiterkämpfen und dann ist das Ziel eh schon da.
Thomas, deine Wahrnehmung passt durchaus auch zu unseren Ergebnissen. Weniger Leistungsdruck, die Leute sind vergleichsweise entspannter – das findet man auch in den o.g. Ergebnissen. Ich denke, wir haben da eine völlig neue Art zu laufen “entdeckt”, wobei es die wohl auch schon immer gab, nur nicht so populäre war.
[…] der Zugspitz-Trailrun-Challenge (siehe hierzu auch den die-sportpsychologen.de-Beitrag, Trend Trail-Running), wollten Prof. Dr. Stoll und Christin Janousch im Folgejahr im Rahmen einer etwas umfangreicheren […]
[…] zu Teilnahmemotiven von Trail-Läufern im Jahr 2014 im Rahmen der Zugspitz-Trailrun-Challenge (siehe hierzu auch den die-sportpsychologen.de-Beitrag, Trend Trail-Running), wollten Prof. Dr. Stoll und Christin Janousch im Folgejahr im Rahmen einer etwas umfangreicheren […]