Prof. Dr. Oliver Stoll: Fokus auf das Wesentliche

Was man unter unmittelbarer Wettkampfvorbereitung versteht, darüber streiten sich die „Gelehrten“ und – ohne Ironie – darüber kann man auch trefflich streiten. An dieser Stelle ziehe ich eine persönliche Erfahrung heran, die ich im Juni 2014 als Finisher der 100 Kilometer von Biel gemacht habe. Meine unmittelbare Wettkampfvorbereitung begann circa eine Woche vor dem Start. In dieser Phase nutzte ich die aus meiner Sicht die drei zentralen „Mentalen Werkzeuge“, die uns allen zur Verfügung stehen.

Zum Thema: Die unmittelbare Wettkampfvorbereitung

  1. Die Fähigkeit, mit Bildern und Videos zu arbeiten. Für Biel bedeutet das, dass ich schon lange vorher etliche Male „Mental“ vor Ort war, obwohl ich noch niemals vorher wirklich persönlich dort war. Ich habe mich informiert über alles, was ich nur bekommen konnte. Texte, Berichte, Bilder, You-Tube-Videos, Facebook-Einträge. Ich wusste direkt vor dem Rennen schon so viel über das Rennen, dass mich kaum etwas überraschen konnte. . Diese „gesammelten Informationen“ habe ich für mich strukturiert und in Vorstellungsbilder überführt. Mit diesen Vorstellungsbildern habe ich dann täglich gearbeitet – im Training, nachmittags in einer ruhigen Minute, Am Abend vor dem Einschlafen. Ich habe mir in der Woche vorher ein Drehbuch für ein – für mich optimales Rennen – zusammengeschrieben und dies dann in einem „inneren Film“ überführt, den ich mir dann täglich vor Augen geführt habe.
  1. Die Fähigkeit, sich selbst instruieren zu können. Für Biel bedeutete das, dass ich mir schon Selbstinstruktionen und Gedanken zurecht gelegt habe, die dann zum Einsatz kamen, wenn sich für mich mutmaßlich kritische Situationen ergeben. Ich war auf die Krise bei KM 68 vorbereitet. Ich wusste, dass sie kommen würde. Ich wusste nur nicht wann und in welcher Form. Als die Krise dann kam, war ich optimal vorbereitet. Mich hat die Bewältigung dann zwar ca. 10 Minuten gekostet, aber ich habe sie überwunden, weil ich die plötzlich auftretende, für mich sehr schwierige Situation in einem „anderen Licht sehen konnte“. Es gelang mir über meinen inneren Dialog die Gelassenheit zu erreichen, die ich gebraucht habe. Dies war jedoch auch ein Ergebnis, systematischem Selbstgesprächsregulations-Trainings im Vorfeld dieses Laufes.
  1. Die Fähigkeit, mit anderen Menschen kommunizieren können. Für Biel bedeute das, dass ich mindestens eine Person an meiner Seite wusste, der ich alles erzählen, alles mitteilen konnte, was mich gerade umtreibt, ohne dafür verurteilt zu werden, sondern eher im Gegenteil – die mich mit ihrer Sichtweise „befruchtet hat“, die mir eine andere Sichtweise auf die Dinge geben konnte und dies wiederum hat dann wieder meine Einschätzung der Situation (in der Regel positiv) beeinflusst. Kommunikationsfähigkeiten spielten aber auch unterwegs im Rennen eine nicht zu unterschätzende Rolle, unabhängig ob dies mit meinen Mitläufern war oder ob es sich um die vier oder fünf Treffen mit Frauke während des Rennens betraf. Kommunikation erzeugt wichtigen Informationsaustausch für eine Neueinschätzung einer ganz spezifischen, mitunter wichtigen Situation, in einem Wettkampf. Dabei geht es nicht ausschließlich darum, Informationen auszutauschen und diese dann zu nutzen, sondern es geht auch um die Erfahrung einer „Perspektivübernahme“ einer anderen Person für die eigene (in diesem Moment sehr wichtige) Situation. Dies ist eine sehr beeindruckende und sehr mächtige Erfahrung, die ganz sicher die eigene Selbststeuerung maßgeblich beeinflussen kann.

Die Nutzung dieser drei Werkzeuge gehören aus meiner Sicht zu den grundlegenden Fähigkeiten, die jeder ambitionierte Sportler entwickeln und ausbauen sollte, denn sie helfen uns, schwierige Situationen zu überstehen, die eigene Einstellung zu einer grenzwertigen Anforderung zu verbessern und seinen eigenen Selbstwert positiv zu beeinflussen. Ich wusste um diese Werkzeuge, habe die für mich relevanten Inhalte mit diesen Werkzeugen bearbeitet und dies hilf mir in nicht unbeträchtlicher Art und Weise diesen – meinen Lebenstraum – zu erfüllen.

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Prof. Dr. Oliver Stoll
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