Alarmstufe Rot: Nicht nur, dass alle WM-Helden des FC Bayern München fast das komplette Vorbereitungstraining verpassen. Es steht vor Saisonbeginn auch unbeantwortet die Frage im Raum, wie die Jäger des vierten Sterns nach ein paar Tagen Urlaub die Rückkehr aus der Campo Bahia-Traumwelt in den grauen Bundesliga-Alltag aus sportpsychologischer Perspektive verkraften? Die Vergangenheit zeigt, dass die Spieler des FC Bayern München nach Weltmeisterschaften eher schwer in den Tritt kamen.
Zum Thema: Wie werden Weltmeister motiviert?
Eines vornweg: Der Profi-Fußball hat sich in den vergangenen Jahren stark gewandelt. Die Professionalisierung ist in fast alle Teilbereiche der Leistungsentwicklung vorgedrungen. Insofern trifft allen voran den FC Bayern München diese Problematik nicht unvorbereitet. Dennoch stehen Trainer Pep Guardiola und Sportdirektor Matthias Sammer sowie der gesamte Verein vor einigen Herausforderungen. Die neue Mannschaft muss zusammen wachsen, d.h. dass die Spieler aus der Mannschaft der vergangenen Saison nun die „neuen“ aufnehmen muss oder anders ausgedrückt, dass aus verschiedenen individuellen und persönlichen Zielen ein kollektives Ziel entwickelt werden muss. Hier fehlt nun aber aktuell das komplette „Gerüst“ der Mannschaft für die kommende Saison. Die aktuell noch fehlenden Spieler stoßen erst am 5. August zur Mannschaft. Nicht einmal 14 Tage später geht es schon zum ersten Pflichtspiel zum Drittligisten Preußen Münster. Dies könnte dann schon zum ersten „Härtetest“ und somit zu einer „Drucksituation“ für die neue Bayern-Elf werden.
Der Erwartungsdruck der Öffentlichkeit auf die Bayern ist sicherlich hoch. Deutsche Meisterschaft, Pokalsieg, Champions-League… Die Frage ist nun, wie die Spieler und das unterstützende Personal diese Situation einschätzen. Die Sportpsychologie verfügt in solchen Situationen über einige Möglichkeiten, hier gezielt regulierend eingreifen zu können. Als „Kollektives Zielsetzungstraining“ bezeichnen wir ein Verfahren, mit dem es gelingen kann, einzelne Ziele und Bedürfnisse hin in Richtung der Entwicklung eines (oder mehrerer) kollektiver Ziele hin auszurichten. Dies schützt die Alltags(leistungs-)motivation im Trainingsprozess und wirkt präventiv hin auf Stress- oder Drucksituationen, denn diese Ziele bleiben zunächst im Kreis der Mannschaft und werden gegenüber der Öffentlichkeit nicht kommuniziert. Tatsache aber bleibt, dass dazu Zeit notwendig ist. Zeit, die der Mannschaft eventuell aktuell – aufgrund der noch im Urlaub verweilenden Nationalspieler – fehlt.
Neue deutsche Tugend – Mentale Stärke?
Andererseits handelt es sich ja auch hier um Fußball-Profis. Während der Fußball-Weltmeisterschaft haben die deutschen Nationalspieler ja schon nicht nur ausschließlich durch spielerische und taktische Leistung geglänzt. Gelobt wurde international auch die spürbare mentale Stärke. Hier lässt sich ein Querverweis zur Arbeit des Sportpsychologen des Nationalteams, Prof. Dr. Hans-Dieter Hermann, ziehen. Sein Einfluss endete sicher nicht mit der Übergabe des WM-Pokals, sondern wird sich auch darüber hinaus bemerkbar machen. Die Nationalspieler aus München standen auch in Brasilien „unter Druck“ und mussten auch in der Nationalmannschaft diesen kollektiven Zielsetzungsprozess durchlaufen. Die Spieler verfügen also auch schon diesbezüglich über einiges an Erfahrung und könnten diesen Prozess im Verein durchaus schneller absolvieren.
Trotzdem darf man in diesem Zusammenhang die individuellen und persönlichen Ziele nicht ignorieren. So lässt sich der Rücktritt Philipp Lahms aus der Nationalmannschaft beispielsweise sehen. Sein großes Ziel, so machte er in einem Interview mit der Zeit deutlich, sei der neuerliche Gewinn der Champions League. Daran wird ersichtlich, dass Spieler durchaus auch sehr bewusst mit diesen Zielen, die sie als Herausforderung sehen, umgehen. Lahm tritt aus der Nationalmannschaft zurück, um sich ganz auf diesen Ziel mit seinem Heimatverein konzentrieren zu können. Dies entlastet ihn und gibt ihm die Möglichkeit mit seinen Kräften sehr bewusst zu haushalten. Auch eine Champions-League-Saison ist lang und anstrengend. Vieles – rund um die CL – lässt sich nur schwer beeinflussen oder prognostizieren. Für die Spieler ist die Champions-League-Teilnahme ein sehr komplexes und vielschichtiges Aufgabenfeld, dass sich ganz bestimmt leichter angehen lässt, wenn die sportlichen Aufgaben überschaubar sind.
Neue Herausforderungen
Ein anderer erfolgreicher Nationalspieler, Toni Kroos, hat den Verein verlassen und sucht anderenorts nach neuen Herausforderungen. Und nicht zuletzt verfügt Bayern München über eine ganze Reihe von Spielern, die die WM nur vorm Fernseher oder fast ausschließlich von der Ersatzbank verfolgt haben. Und die angesprochenen Frank Ribery, Robert Lewandowski, David Alaba, Thiago, Javier Martinez oder Dante wollen die WM mit eigenen Leistungen sicher sehr schnell vergessen machen wollen. Am Ende ist es die Aufgabe allen voran von Trainer Pep Guardialo,allen Widrigkeiten durch die fehlende Vorbereitung zum Trotz diese Mannschaft so vorzubereiten, dass Bayern München seinen Weg in diese neue Saison findet.
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