Umgang mit Fehlern

Sieben Eigentore gab es allein in der Vorrunde der Fußball-Europameisterschaft. Rekord! Manchmal sind es unglückliche Verkettungen, immer wieder sind es aber auch kapitale individuelle Fehler, die bislang zu den Treffern ins eigene Netz führen. Die Frage ist aber: Welche Strategien gibt es, um nach einem solchen Fauxpas die Krone zu richten, um möglichst frei und unbelastet weiterzuspielen?

Zum Thema: Hinweise und Tipps zum Umgang mit individuellen Fehlern

Kathrin Seufert, Die Sportpsychologen

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Fehler gehören dazu. Ein Satz, den sicherlich jede/r schon mal gehört hat. In dem jeweiligen Moment ist für die Beteiligten aber meist keine hilfreiche Antwort. Und dennoch ist da sehr viel Wichtiges dahinter verborgen.

Fehler helfen uns dabei zu lernen. Ohne Fehler würden wir uns auch nicht weiterentwickeln und würden unser Repertoire nicht erweitern können. Doch möchte man diese Fehler ja bestenfalls im Training machen und nicht bei wichtigen Wettkämpfen oder gar bei einer Europameisterschaft.

Daher bedarf es in diesen Situationen einer schnellen, gedanklichen Einordnung. Viel Zeit sich darüber zu ärgern oder zu grübeln ist nicht vorhanden, da die gesamten Ressourcen für die neue Spielsituation benötigt werden.

Es gibt (sicherlich auch sehr typabhängig) viele unterschiedliche Herangehensweisen für diese Situation.

Eine Option wäre, mit sich zu vereinbaren, den Fehler im Nachgang in Ruhe zu analysieren und jetzt aber erstmal zur Seite zu legen. Hier wird darauf gesetzt, es nicht zu vergessen, sondern in einem geeigneteren Moment zu bearbeiten als mitten im Spiel beispielsweise.

Eine weitere Möglichkeit ist, sich kurz mit besonders herausragenden Szenen auseinanderzusetzen. Hier ist die Idee, dass die Gewichtung des Fehlers nicht zu groß werden zu lassen. Häufig ist die Gewichtung der Fehler im Vergleich zu den gelungenen Aktionen aus dem Gleichgewicht geraten.

Natürlich gibt es noch sehr viel mehr Techniken, die einen dabei unterstützen können, mit Fehlern umzugehen. Aus meiner Sicht ist aber zunächst darauf zu schauen, welche Auswirkung es bei der Person hat und daraus abzuleiten, welche Unterstützung für sie/ihn am besten wäre.

Janosch Daul, Die Sportpsychologen

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Im Spiel ist wenig Raum für eine ausgiebige Fehleranalyse. Schließlich stellt es permanent neue Anforderungen an den Spieler, die es zu bewältigen gilt. Stattdessen geht es im Spiel nach einem individuellen Misserfolg darum, so mit diesem umzugehen, dass der Spieler schnellstmöglich wieder Handlungs- und Leistungsfähigkeit zurückerlangt. Dafür braucht es eine hohe Achtsamkeit im Wahrnehmen eigener Gefühle (“Da ist Ärger.”) und Gedanken (“Das Ding geht auf mein Kappe.”) Wenn es dem Spieler gelingt, sich auf diese Weise achtsam zu spüren, kann er sich nun in die von ihm gewünschte Richtung ausrichten. 

Hilfreich hierbei sind Strategien, die vorher im Trainingsprozess eingeübt werden müssen. Beispielsweise die Kombination aus einem Selbstgespräch (z.B. “Ich glaube an mich!”) und einem körperlichen Anker (z.B. ein Fingerschnipsen). Während ich durch die Art und Weise, wie ich mit mir selbst spreche, auf mein Selbstvertrauen, meine Konzentration und letztlich mein Verhalten Einfluss nehmen kann, ermöglicht mir der Anker ein gezieltes Abschließen mit dem Misserfolgsmoment auf der Körperebene und ein Neu-Ausrichten auf die anstehende Situation im Hier und Jetzt. Diese Technik hilft dem Spieler in der Verarbeitung des Misserfolgs und in der Entwicklung eines Handlungsfokus.

Letztlich muss jeder Spieler aber für sich individuell prüfen, welche Strategie ihm im Anschluss an Misserfolgsmomente nützlich ist.

Wolfgang Seidl, Die Sportpsychologen
Wolfgang Seidl, Die Sportpsychologen

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Im Umgang mit Fehlern sollten sich Fußballer schon vorab Strategien zurechtlegen und können hier viel von Piloten lernen. Piloten bereiten sich im Simulator regelmäßig und akribisch auf schwierige Situationen vor, um für den Ernstfall gerüstet zu sein. Zum Beispiel lernen sie, wie sie beim Start mit einem Triebwerkausfall umgehen müssen und wissen nach dem Training, welche Knöpfe sie drücken und welche Anweisungen sie sich geben sollten. Ähnlich ist es bei Fußballern am Spielfeld. Nur wer sich im Vorfeld auf die schwierigsten Herausforderungen vorbereitet hat, schafft es auch, Fehler schnell abzuschließen und seinen Fokus wieder auf seine Aufgaben zu lenken. Dazu gibt es unterschiedliche mentale Methoden, die auf den jeweiligen Spieler abgestimmt werden sollten. Ich vertraue hier speziell auf vorab definierte Handlungsanweisungen. D.h. Spieler erarbeiten sich kurze und prägnante Selbstanweisungen, wie z.B. ein Schlüsselwort „Fokus“, um nur eines zu nennen. Durch diese innere Anweisung mittels Schlüsselworts, gelingt es ihnen dann schnell wieder, sich auf ihr Spiel zu konzentrieren. Natürlich muss das über einen längeren Zeitraum trainiert werden. Ähnlich, wie es auch der Pilot im Simulator macht.

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Mathias Liebing
Mathias Liebinghttps://www.torial.com/mathias.liebing
Redaktionsleiter bei Die Sportpsychologen und freier Journalist Leipzig Deutschland +49 (0)170 9615287 E-Mail-Anfrage an m.liebing@die-sportpsychologen.de