Sportpsychologie im E-Sports

Seit 2017 beschäftigen wir uns bei Die Sportpsychologen mit dem Thema E-Sports. Damals veranstalteten wir mit einem Berliner E-Sport-Organistation Penta Sports ein Barcamp, um in diese neue Welt des Hochleistungs- und Breitensports einzutauchen. Insbesondere Thorsten Loch (zur Profilseite) hat sich seither im E-Sport engagiert, betreut Organisationen und Athletinnen. In Kooperation mit Janek Subke, Journalismus-Student der Hochschule Magdeburg- Stendal ist nun ein Gastbeitrag über die digitale Faszination E-Sports entstanden.

Hinweis: Wir von Die Sportpsychologen entwickeln für E-Sport-Organisationen, Verbände sowie Athletinnen individuelle sportpsychologische Betreuungskonzepte. Professionell, diskret, zielgerichtet, innovativ und auf Augenhöhe helfen wir, sportliche Ziele zu erreichen. Darüber hinaus sind wir ein Ansprechpartner für Eltern, Partner von E-SportlerInnen oder AthletInnen Zum Thema mentale Gesundheit.

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E-SportsDigitale Faszination

von Janek Subke

Der Raum ist duster – bis auf eine Lichterkette, eine dimmbare Lampe und den flimmernden Monitor, in dem sich Dominik Westerwicks Brille spiegelt. Seine Augen sind gebannt auf den Bildschirm gerichtet, der PS5-Controller ist fest umklammert. Das Headset schirmt ihn von der Außenwelt ab.

Sein Interesse gilt EA Sports FC 24, dem neuesten Ableger der ehemaligen FIFA-Reihe von Electronic Arts. Seit geraumer Zeit führt die Spieleserie jedes Jahr die Liste der meistverkauften Videospiele in Deutschland an – auch Dominik kauft sie seit zehn Jahren regelmäßig. Dominik ist 21 Jahre alt. Fußball spielt in seiner Welt eine übergeordnete Rolle – nicht nur digital. In der Realität trainiert er eine Jugendmannschaft von Roter Stern Sudenburg, einem Magdeburger Stadtteilverein, und ist im selben Verein Torwart bei den Herren. Auf der Playstation spielt er für Selecao United.

Damit spielt Dome – wie ihn seine Freunde nennen – semiprofessionell Pro-Clubs. Pro-Clubs kommt in seiner Struktur dem echten Fußball am nächsten. Es gibt einen Ligamodus und jeder Spieler steuert einen der elf Charaktere des Teams. Dominiks Spieler heißt JxsTDom3. Er ist Innenverteidiger. Neben dem Controller bestimmt der Gamer auch das Pensum: Durchschnittlich vier Mal pro Woche spielt Dome wettkampfmäßig an der Konsole. Übertragen werden die Spiele auf Twitch oder Youtube.

Sein reales Leben trennt er vom Spiel. Wenn er für seine Ausbildung zum Kinderpfleger lernen muss oder bei Roter Stern Sudenburg gebraucht wird, sagt er Selecao United ab. Falls er nicht gerade spielt, geht er schwimmen, läuft oder fährt Fahrrad.

Psychische Erkrankungen sind auch im E-Sports ein Thema

Dass ein solcher Ausgleich wichtig ist, erklärt der Sportspychologe Thorsten Loch, der seit rund vier Jahren auch E-Sportler betreut: „Es ist halt nicht gesund, zwölf oder 13 Stunden am PC zu hocken. Wenn man dann auf die High Perfomer blickt – wie viele bleiben da mit psychischen Erkrankungen auf der Strecke?“ Seit Januar 2022 ist die Computerspiel-Störung laut ICD auch ein offizielles Krankheitsbild. Ohne Ausgleich und soziale Kontakte steht das Selbstkonzept auf wackeligen Beinen.

Im ersten Spiel des Tages geht es testweise gegen die türkische Profimannschaft Kasımpaşa S.K. Wenn der Spieler von einer Party spricht, ist oft kein Alkohol im Spiel. So nennt sich der Sprachchat, über den sich die Spieler:innen miteinander verbinden können. Ein Mitspieler verliert im Dribbling den Ball – Dominik motiviert: „Nicht schlimm, weiter geht’s!“ und gibt über den Instant-Messanger Discord laute Anweisungen. Er ist der verbale Koordinator der Abwehr und hat die Abseitsfalle und die Zuordnung im Blick. Währenddessen bewegt sich die Spielkamera im Sekundentakt, da der Gamer seine Position auf dem Spielfeld überblickt. Das Spiel geht mit 0:2 verloren.

Im Regal im Zimmer stapeln sich Gaming-Booster, also Nahrungsergänzungsmittel – das Produktversprechen: Sie sollen wach halten und die Psyche stützen. Dass Gaming kein Randphänomen mehr ist, hat demnach auch die Industrie entdeckt. Laut dem Jahresreport der deutschen Games-Branche spielten 2023 rund 60 Prozent der Deutschen zwischen sechs und 69 Jahren Videospiele. Wer Profi werden will, stößt auf große Konkurrenz. Höchstleistungen sind gefragt. Wie im traditionellen Sport dominiert oft der unrealistische Anspruch, immer perfekt spielen zu müssen. „So gerät man leicht in eine Negativspirale“, warnt Loch. Nicht umsonst werden Top-Talente auch sportpsychologisch betreut.

Zwei Siege, drei Niederlagen

Gegen den Liga-Konkurrenten Pro Clubs Elite geht es im zweiten Spiel: Der Gaming-Stuhl bewegt sich währenddessen keinen Millimeter. Auch der Kater Sammy, der wie ein Dieb um Dominiks Beine schleicht, erregt seine Aufmerksamkeit nicht. Das Ergebnis holt ihn zurück, seine Schultern entspannen sich: 7:0 steht auf dem Bildschirm. Hastig zieht er sein Handy aus der Tasche und tippt darauf herum. Nur wenige Minuten hat er dafür Zeit, dann ist die Mannschaft wieder komplett. Ein Testspiel und zwei weitere Punktspiele folgen. Die Bilanz des Abends: Zwei Siege, drei Niederlagen.

JxsTDom3 überrollt mit seinem Team den Gegner Pro-Cubs-Elite, Foto: Janek Subke
Janek Subke

Mit 21 Jahren ist Dome noch kein Rentner in der Gaming-Welt, aber deutlich älter als 25 sind nur wenige Profis. Ein Freund von ihm spielt in der Akademie des FC St. Pauli eFootball. Vom Profigeschäft und der Virtuellen Bundesliga (VBL) ist Dominik aber noch weit entfernt. Dort zählt die individuelle Stärke und nicht wie bei Pro-Clubs ein starkes Teamgefüge.

Seit der Saison 2023/24 hat die Deutsche Fußball Liga (DFL) eine verpflichtende Teilnahme aller Erst- und Zweitligisten am virtuellen Wettbewerb beschlossen. Der 21-Jährige sieht darin eine Chance für den Nachwuchs.

Alexander Hodeck, promovierter Professor an der ISM Berlin, der International School of Management, der sich in seiner Forschung unter anderem mit den Entwicklungen im E-Sport beschäftigt, sieht das anders: „Verpflichtungen sind in diesem Fall nicht sinnvoll, weil die Motivation und die Qualität der Teilnehmenden darunter leiden könnten.“ Auch könne damit eine Konkurrenz für den Fußball in der vor allem jungen Zielgruppe geschaffen werden, ebenso in Bezug auf Sponsoren. Dass diese Bedenken nicht ganz unbegründet sind, zeigt die fortschreitende Professionalisierung des E-Sports: Vereine verpflichten beispielsweise Athletiktrainer und Ernährungsberater und bieten Auswahl- und Boot-Camps an.

Dominik blickt auf die digitale Zeitanzeige seines Handys, sie zeigt 22:45 Uhr. Es steht eine Besprechung mit den Vereinsmanagern an. Danach schaut er noch einen Film. Genug Gaming für heute.

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Mathias Liebing
Mathias Liebinghttps://www.torial.com/mathias.liebing
Redaktionsleiter bei Die Sportpsychologen und freier Journalist Leipzig Deutschland +49 (0)170 9615287 E-Mail-Anfrage an m.liebing@die-sportpsychologen.de