Im Kampfsport wird stark mit Strategien des sportpsychologischen Trainings gearbeitet und dies ganz oft unbewusst. Kämpfer*innen imitieren ihre Trainer*innen und Vorbilder, kopieren deren Aktivierungs- und Entspannungstechniken. Die einen führen anspornende Selbstgespräche oder geben sich Ohrfeigen ins eigene Gesicht. Andere setzen auf tiefes Durchatmen oder einstudierte Rituale während des Aufwärmens. Grenzen sind hier kaum gesetzt. Auch ich als Muay Thai Athletin (Thaiboxerin) bin da keine Ausnahme. Vor rund einem Jahr absolvierte ich ein vierwöchiges Trainingslager auf der thailändischen Insel Koh Phangan, welches nicht nur meine Physis und Technik verbesserte, sondern auch meine mentale Stärke.
Zum Thema: Sportpsychologie im Kampfsport
Meine Fertigkeiten in Muay Thai werden in diesem Camp täglich zweimal mit je zweieinhalb Stunden Training geschärft. Die intensiven Einheiten bringen mich an körperliche Grenzen: unzählige blaue Flecken, wunde Fingerknöchel und aufgeschlagene Knie, kein Muskel, der nicht schmerzt.
Im Video: Die psychologische Ebene der körperlichen Erschöpfung
Ich führe unzählige Selbstgespräche vor dem Training, während des Trainings und nach dem Training. Immer wieder helfen mir einige einfache Sätze. Vor dem Training sage ich mir: «Lea, du hast hier eine einmalige Chance, viel zu lernen. Verpasse keine Minute davon.» Während des Trainings reicht manchmal ein: «Come on! Eine Runde dauert nur drei Minuten. Du schaffst das.» Nach dem Training versuche ich nicht nur Dinge zu sehen, bei denen ich versagt, sondern auch solche, die ich gut gemacht hatte.
Mein Mantra
Am meisten hilft mir aber mein Mantra, welches jeder Morgen ein fixer Bestandteil der Meditation am Strand ist. Dabei machen wir fünf Minuten Box Breathing, dann sagen wir fünf Minuten das Mantra auf: Beim Einatmen «I am…», beim Ausatmen z.B. «…powerful». Diese Sätze habe ich jeweils mit eigenen Bildern versehen, die zusätzlich das Mantra unterstützen. Die letzten fünf Minuten der Meditation verbringen wir jeweils mit der Visualisierung des bevorstehenden Tages. Bis ins Detail stellen wir uns mit all unseren Sinnen den Tag vor und fällen bereits Entscheidungen, wie z.B.: Werde ich zum Yoga gehen? Was esse ich zum Frühstück? Je näher der Tag des Kampfes rückt, desto öfter ergänze ich die Meditation um ein weiteres Element, das mir ebenfalls der Trainer empfohlen hat. Dieser lernte es wiederum von seinem Trainer.
Konkret: Ich muss mir den Kampf und seinen Ablauf rückwärts vorstellen: Der Film beginnt also beim ausgelassenen Feiern meines Sieges mit Freunden an der Strandbar; dann sehe ich, wie der Ringrichter meine Hand am Ende des Kampfes hebt und spüre, wie gross dabei die Freude und Erleichterung ist; stelle mir Szenen des Kampfes vor, wie ich auch Schläge aushalten und Ruhe bewahren muss; fühle in der Magengegend, wie ich aufgeregt, aber selbstbewusst in den Ring steige; rieche das Thai Öl auf meiner Haut; fühle, wie beim Aufwärmen das Tape an meinen Fingerknöcheln klebt etc. Heute sehe ich natürlich die Parallelen zum PETTLEP-Ansatz von Holmes und Collins (2001), bei welchem Emotionen und verschiedene Sinne ins Bewegungsvorstellungstraining einbezogen werden.
Im Video: Warum Meditation und Yoga für mich dazugehören
Ein Kampf als spezielle Herausforderung
Nach vier Wochen im Trainingslager kommt mein letzter Tag in Thailand. Der Tag des Kampfes. Es ist eine kleine Arena auf der Insel, aber dennoch von grosser Bedeutung für mich. Es ist schwierig zu erklären, was das Kämpfen in Thailand so besonders macht. Muay Thai ist dort Kultur, fester Bestandteil des Alltags, ernährt ganze Familien, lehrt nicht nur eine Kampfkunst, sondern eine Philosophie. Als Westliche hier zu kämpfen ist eine Ehre. Ich bin sehr nervös. Nicht, weil ich Angst habe, verletzt zu werden oder zu verlieren, sondern weil ich meinen Trainern und dem Gym keine Schande bereiten und sie stolz machen möchte.
Im Video: Atmung und Mantra in der Wettkampfvorbereitung
Als Kampfsportler*in ist man alleine im Ring. Die gesamte Vorbereitung ist so eng mit den Trainern verknüpft, vor allem in Thailand, wo man seinen Lehrern viel Respekt und Gehorsam entgegenbringt. Wenn dir dein «Kru» aufträgt, 300 Kicks und 300 Sit-ups zum Abschluss des Trainings zu machen, dann machst du das einfach. Weil er viel mehr Erfahrung hat (z.B. über 250 Kämpfe im Alter von 30 Jahren). Weil er es besser weiss. Weil du ihm vertraust.
Im Video: Die besondere Beziehung zum Trainer
An Grenzen gehen – und darüber hinaus
Wenn ich kämpfe, geht es mir vor allem darum, Neues zu entdecken. Viele Personen können meine Leidenschaft für eine solch physische, aggressive Sportart nicht verstehen. Ich aber bin neugierig: Wie ist es, über den Sport, so tief in eine andere Kultur einzutauchen? Wie erlebe, verhalte und fühle ich mich in der Extremsituation im Ring? Was kann ich alles aushalten und mit meiner mentalen Stärke überstehen? Diese Neugierde ist bestimmt den meisten Sportler*innen bekannt, die gerne an ihre Grenzen und darüber hinaus gehen – egal, welche Sportart sie ausüben.
Im Video: Highlights vom Kampf in Thailand
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Bedarf am Thema Kampfsport?
Bislang spielen Beiträge aus dem Themenbereich Kampfsport bei Die Sportpsychologen nur eine untergeordnete Rolle. Soll sich das ändern? Wenn ja, nehmt gern Kontakt auf und schreibt uns, womit wir uns befassen sollen:
Lea Fürer
Ich bin im letzten Semester meines Bachelorstudiums für Angewandte Psychologie an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW). Seit Oktober 2018 darf ich bei Dr. Hanspeter Gubelmann ein sehr vielseitiges Praktikum machen, bei dem ich u.a. einen Athleten betreuen, ein sportpsychologisches Multimedia-Projekt lancieren, ein Netzwerk zu Sportpsychologen/innen aufbauen, viel Fachliteratur und vor allem Fachwissen aufsaugen darf. Ich arbeite seit rund zehn Jahren auch fürs Schweizer Radio und Fernsehen, davon fünf Jahre beim sportradio SRF und komme nicht nur dort mit der Sportwelt in Kontakt: Ich war 2017 Schweizer Meisterin im Thaiboxen und arbeite zudem nebenbei als Trainerin.
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