Für Läuferinnen und Läufer ist jetzt die Zeit, Bilanz zu ziehen. Wie lief die Saison? Habe ich meine Ziele erreicht? Was habe ich richtig gemacht und was ist schiefgelaufen? Die Theorie geht davon aus, dass eine funktionale Planung der Ziele und ein funktionierendes „Screening“ von Erfolg und Misserfolg automatisch dazu führen, dass unsere Leistungsmotivation – auch in der Zukunft – hoch sein wird. Einige meiner Kollegen haben genau dies (und dies ist auch das, was man so klassischerweise in den gängigen Lehrbüchern findet) auch schon hier detailliert dargestellt. Eine Übersicht zu diesen Beiträgen gibt es unter diesem Text.
Zum Thema: Der lange Weg zur richtigen Saisonplanung
Nun gut – könnte man meinen! Also zu Beginn der Saison ein oder zwei Wettkampfhöhepunkte finden (die müssen aber realistisch erreichbar und so objektiv wie möglich formuliert sein), dann eine „Zeitleiste“ anlegen (die auch realistisch sein sollte) und einfach mit dem Training beginnen. Von Zeit zu Zeit überprüfen, ob Zwischenziele erreicht wurden (oder nicht), im Misserfolgsfall die richtige Ursachenzuschreibung finden (möglichst eine „variable“, denn sonst geht die Leistungsmotivation flöten) und den Fokus im Training immer beim Saisonhöhepunkt halten – fertig ist die Laube!
Ich sage an dieser Stelle: Das ist zu kurz gedacht und beleuchtet bestenfalls einen Teil des (Leistungs-)motivationsprozess. Ja – so steht es in den Lehrbüchern – ich weiß. Aber man sollte deswegen das eigene „Nachdenken“ nicht einstellen und vor allen Dingen „eigene Erfahrungen“ nicht ausklammern! Die vorliegenden, theoretischen, sportpsychologischen Modelle sind aus meiner Sicht viel zu „rational“ und unterschätzen dabei die Emotion, die oftmals im Leistungsmotivationsprozess ein unglaublich starker Motor sein kann (und mitunter bestimmte, durchaus wichtige rationale Prozesse überdecken kann). Angedeutet habe ich genau diese Tatsache schon einmal in einem anderen Blogbeitrag:
Mein Blick zurück
Also lasse ich mal wieder in meine eigene, vergangene Saison blicken. Und auch in meine Ursachenzuschreibungen, aber insbesondere auf meine emotionalen Bewertungen und wie diese zu Wahrnehmungsverzerrungen geführt haben. Und zum Schluss gibt es noch einen besonderen Tipp, der für Läufer gilt, die in einer funktionierenden (Läufer-)beziehung leben.
Meine Planung begann im November/Dezember 2016 (dazu sage ich später noch etwas). Ich bin ja ein sogenannter „Age-Grouper“, oder anders gesagt, ich laufe nicht auf Sieg oder Bestzeit, auch nicht mehr auf persönliche Bestzeit – die Zeiten sind längst vorbei ?. Aber ich laufe gerne auch mal etwas länger.: Die Saison 2017 begann mit einem Marathonlauf im Winter. Dieser Lauf ist eher ein „Wo-stehe-ich-gerade-Lauf“, also kein Saisonhöhepunkt, sondern ein Lauf im Team (3 Personen müssen zusammenlaufen und auch so ins Ziel kommen, um in die Wertung zu kommen – wir sehen den starken sozialpsychologischen Einfluss hier und wenn man das gut im Vorfeld vorbereitet, hat man jede Menge Spaß). Dieser Lauf mit einem lieben Lauffreund und einer lieben Lauffreundin endete eigentlich ganz gut, d.h., wir kamen in einer Zeit ins Ziel, die wir so abgesprochen hatten. Das nächste spannende Saisonziel war der (auch so geplante) Ecotrail in Oslo im März. Ein ursprünglich auf Marathondistanz (mit ca. 1000 Höhenmeter) geplanter Trail-Lauf, der sich dann vor Ort als Ultratrail entpuppte (ca. 50 km) und den ich, trotz der Überraschung vor Ort – mit meiner relativ langen Erfahrung im Laufbereich – dann doch ganz gut ins Ziel brachte (6 Stunden und ein paar Minuten). Geplant (und dafür gemeldet) war ich dann eigentlich für den Kyffhäuser Bergmarathon im Harz (Anfang April). Da bin ich nicht an den Start gegangen.
Wettkämpfe (erst) nur für mich
Danach – also nach April – geht die Saison ja eigentlich erst richtig los. Was habe ich gemacht? Eigentlich nicht viel – zumindest bin ich keine Wettkämpfe gelaufen, sondern nur so für mich, ohne Startnummer und ohne ein Ziel. Weiter ging es dann erst Anfang Juli (Sachsentrail, 19km, 500 Höhenmeter), und dann den Himmelswegelauf, einen sehr flachen Marathon in schöner Natur, der für mich in einer Katastrophe endete. Eine Zielzeit um die 4 Stunden und 50 Minuten und ein Zusammenbruch im Ziel, mit anschließender Kanüle im Arm wegen Dehydration. Ende Juli flatterte dann ein „Angebot“ ins Haus. Ich bekam die Möglichkeit mit einem mir bekannten und sehr sympathischen Läufer den Transalpine-Run zu laufen, also einem Lauf über die Alpen über 7 Tage, 270 km, 18000 Höhenmeter. DAS ist der Traum eines jeden Ultra-Trail-Läufers! So etwas bietet sich nicht oft in einem Läuferleben. Der Lauf startete Anfang September und ich hatte dann noch etwas mehr als 4 Wochen Zeit zur spezifischen Vorbereitung. Das Ergebnis: Ein DNF nach der 2. Etappe. Danach „Wunden lecken“ und das Saison-Finale. Der Mitteldeutsche Marathon von Leipzig nach Halle (also sehr flach, war auch so geplant). Und siehe da – ich kann es noch. Im Ziel in 4 Stunden und 34 Minuten und somit ein relativ „versöhnlicher“ Saisonausklang.
Bringen wir also nun Theorie und Praxis zusammen. Die Planung Ende 2016 war aus meiner Sicht eigentlich relativ vernünftig (realistisch, Zwischenziele, objektiv überprüfbar – Wintermarathon – Ecotrail – Kyffhäuser Bergmarathon – Himmelswegelauf – Mitteldeutscher Marathon). Hier kommt jetzt aber meine Ehefrau ins Spiel, mit der ich eigentlich am liebsten zusammenlaufe, wir aber natürlich leistungsmäßig etwas auseinanderliegen und auch für 2017 verschiedene Zielvorstellungen hatten und somit eine gemeinsame Planung im letzten Jahr mehr als nur schwer war (hier deutet sich schon eine emotionale Komponente an). Und die Probleme gingen somit schon recht früh los. Den Wintermarathon bin ich ohne sie gelaufen. Zum Kyffhäuser Bergmarathon wollte sie nicht starten. Also bin ich auch nicht hingefahren. Zum Ecotrail sind wir gemeinsam gereist. Sie lief den Halbmarathon, ich die 50km. Also…zusammen …alleine. Den Himmelswegelauf hat sie aus beruflichen Gründen gestrichen – ich war also „alleine“ (hatte aber einen mir sehr lieben Freund zu Beginn an meiner Seite). Anyway – war anders geplant. Und der Mitteldeutsche Marathon – den hatte meine Frau nie auf ihrem Plan, ich aber von Anfang an. Und dann mittendrin in der Saison – kam die Möglichkeit, den Transalpine zu machen. Ein Lauf, den man im Paar starten muss (und nach Möglichkeit auch so beenden sollte). Ich wusste, mit Frauke wird das nichts – und dennoch wollte ich diesen Lauf so sehr – diese Herausforderung so gerne annehmen und bestehen! Was auf die Entscheidung „auch ohne Frauke, dort zu starten“ folgte, war ein Monat über 400 Trainingskilometer bis zum Start mit dem mittlerweile schon bekannten Ende. Der Mitteldeutsche Marathonlauf lief dann….
Wichtiges für den Lernprozess
Eine Analyse meiner Kognitionen und meiner Emotionen bringen mich zu folgendem Schluss: Wenn Dir jemand emotional sehr wichtig ist, plane niemals ohne diese Person. Ergeben sich Diskrepanzen in der Planung – bleib dran (in der Planung). Wenn du unerwartet alleine startest, dann kümmer dich rechtzeitig um die Umbewertung und Neuformulierung deiner Ziele und erleb diese neuen Ziele auch als für Dich, emotional bedeutsam („Wenn heiße Gedanken fehlen, geht die Motivation flöten“). Ergibt sich für dich eine „unerwartete, emotionale Sensation“ (Transalpine Run), lass dich davon nicht überrumpeln. Das Training im August lief extrem gut, denn „heiße Gedanken waren da“. Der für mich extrem hohe Trainingsumfang im Monat vor dem Start hat wahrscheinlich mein Immunsystem nach unten gefahren. Das Ergebnis war der Infekt nach Etappe zwei. Und bleib bei deinem Plan, wenn er sich wie geplant umsetzen lässt. Erhol dich angemessen und bezieh deinen dir wichtigen Partner ein (Frauke war dann beim MDM an der Strecke und hat mich unterstützt). Unterschätze also niemals die Macht von sozialer Unterstützung!
Wir verarbeiten – auch im Leistungsmotivationsprozess – ständig Informationen. Wir antizipieren, wir agieren und wir bewerten diese Handlungen im Nachhinein. Eines der Informationssysteme nutzt bewusstseinsfähige Informationen (uns bewusste Motive, Intentionen, Attributions- und Problemlöseprozesse, etc.), zu denen wir aus den Lehrbüchern schon viel wissen. Wir nutzen eben auch uns nicht bewusste Prozesse für unsere Handlungsplanung und Handlungskontrolle (unbewusste Motive, unbewusste Wahrnehmungen und geheime „Wünsche und Visionen“). Diese sind nicht selten stark emotional gefärbt. Leider wissen wir hierzu aus den Lehrbüchern so gut wie nichts. Eine gute Saisonplanung, aber auch Saisonanalyse sollte immer beide Informationsverarbeitungssysteme berücksichtigen. Nur dann – verliert man nicht, sondern man lernt!
In diesem Zusammenhang (also inwieweit ich meine Ziele in der Saison erreichen konnte oder nicht) spielen natürlich auch Willensfähigkeiten eine zentrale Rolle:
Prof. Dr. Oliver Stoll: Motivation für Training und Wettkampf
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