Nach der Saison ist bekanntlich vor der Saison. Während sich die Spieler unmittelbar nach der langen Spielzeit in den Urlaub verabschiedet haben, laufen die Motoren im Management- und Trainerbereich auf Hochtouren. Die zurückliegende Saison wird bis auf die kleinsten Details zerlegt, um diese zu analysieren und reflektieren. Wo waren die Stärken und wo lagen die Schwächen? Im Mittelpunkt der Überlegungen stehen allen voran die Schwächen. Insbesondere geht es hier um die Fragen, ob diese „Lücken“ aus den eigenen Reihen adäquat geschlossen werden können oder ob man sich auf dem Transfermarkt umschauen und ggf. tätig werden muss. Die Sportpsychologie, ohne dass dies von der Mehrheit der Bundesliga-Vereine genutzt wird, liefert dazu spannende und durchaus praktikable Werkzeuge.
Zu Thema: Welche Entscheidungskriterien können zusätzlich bei der Urteilsfindung für eine Verpflichtung zu Rate gezogen werden, neben den üblichen „Verdächtigen“ (Physoiologie, spieltaktische Daten, Position, usw.)?
Während des jährlichen Saisonrückblick-Schmökerns eines großen Sportmagazins drängte sich mir die Frage auf, wie machen dies bzw. worauf achten die so genannten „Ausbildungsvereine“ wie Mainz 05 oder der SC Freiburg? Ausdrücklich der Letzt genannte Verein um Cheftrainer Christian Streich blieb bei mir hängen. Jahr für Jahr wechseln die spielstärksten Spieler – aktuelles Beispiel: Maximilian Philipp zum BVB – zu finanzstärkeren Vereinen und stellen die Verantwortlichen des Sportclubs immer wieder vor die Herausforderung, einen schlagkräftigen Kader für die kommende Spielzeit zusammenzustellen. Und das alles unter dem Gesichtspunkt, dass der Etat im Vergleich zu anderen Vereinen eher gering einzustufen ist, gelingt es den Breisgauern dennoch hin und wieder, die Großen zu ärgern und attraktiven Fussball zu spielen. Hier spielen sicherlich viele Faktoren ineinander, jedoch drängt sich einer in den Vordergrund, welcher selbst einem nicht ausgewiesenen Experten ins Auge fällt. Die Mannschaft tritt geschlossen als Team auf. Dies ist sicherlich auch dem Führungsstil eines Christian Streichs geschuldet, jedoch soll der Führungsstil von Streich nicht Inhalt dieses Beitrages sein. In diesem soll vielmehr die Tatsache beleuchtet werden, warum es der Mannschaft des SC Freiburg augenscheinlich besser gelingt als Team – in guten wie in schlechten Zeiten – aufzutreten als andere.
Teamrollen nach Belbin
In den 70er Jahren untersuchte der Engländer Meredith Belbin die Auswirkungen der Teamzusammensetzung aus verschiedenen Persönlichkeitstypen auf die Teamleistung. Basierend auf der Annahme, dass das Persönlichkeitsprofil eines Menschen auf unterschiedlich stark ausgeprägten Eigenschaften beruht, analysierte Belbin Teams aus Kursteilnehmern am Henley Management College. Hierbei identifizierte er acht verschiedene Teamrollen, welche sich aus den Ergebnissen der Verhaltensmuster ergaben. Im Jahr 1981 in einem Modell (siehe Tabelle 1) zusammengefasst, ergänzte Belbin später wiederum dieses um eine weitere Rolle, nämlich die des Spezialisten. Nach der Auffassung Belbins arbeiten Teams dann effektiv, wenn sie aus einer Vielzahl heterogener Persönlichkeits- und Rollentypen bestehen, wobei er in seiner Gliederung drei Hauptorientierungen unterscheidet, welche erneut jeweils drei der neun Teamrollen umfassen:
· Handlungsorinentierte Rollen: Macher (Shaper), Umsetzer (Implementer), Perfektionist (Competenter, Finisher)
· Kommunikationsorinentierte Rollen: Koordinator/Interator (Co-ordinator), Teamarbeiter/Mitspieler (Teamworker), Wegbereiter/Weichensteller (Resource Investigator)
· Wissensorientierte Rollen: Erfinder (Plant), Beobachter (Monitor Evaluator), Spezialist (Specialist)
Durch die Einwirkung verschiedener und sich gegenseitig beeinflussender Faktoren entwickeln sich die Menschen unterschiedlich, wodurch sie gewissen Charakteristika des Persönlichkeitsprofils und somit auch das Rollenverhalten in Teams herausbildet. Jeder Mensch verfügt somit über bestimmte Stärken und Schwächen. Mittels eines Fragenkatalogs zur Selbsteinschätzung und Beurteilung durch Außenstehende lassen sich die Teamrollenprofile bestimmen.
Fazit
Es ist eine wage Vermutung: Aber ich glaube, dass nur bei wenigen Bundesliga-Clubs bewusst die Persönlichkeitsprofile der potentiellen Neuverpflichtungen überprüft werden, bevor die Transfers über die Bühne gehen. Das Modell von Belbin steht in diesem Zusammenhang nur stellvertretend für einige relevante Optionen mehr, welche die Sportpsychologie bietet. Gleichermaßen möchte ich jedoch betonen, dass die Entscheidungsfindung nicht ausschließlich auf psychologische Tests beruhen sollte. Vielmehr soll dies eine Ergänzung bzw. ein zusätzliches Puzzelstück des Gesamtbildes darstellen, welches sich lohnt mit einzubeziehen. Auch lässt Belbin offen, inwieweit eine optimale Teambesetzung in einer Fussballmannschaft aussieht. Diese scheint jedoch, egal ob bewusst oder unbewusst, den Verantwortlichen des SC Freiburgs häufig gut zu gelingen. Wir dürfen also gespannt sein, ob es Streich und Co. gelingt das Kunststück Europa League aus dem letzten Jahr zu wiederholen. Wir können jedoch davon ausgehen, dass sie diese große Herausforderung gemeinsam als Team in Angriff nehmen.
Teamrollen im Überblick
Teamrollen |
Rollenbeitrag |
Charakteristika |
Zulässige Schwäche |
Erfinder | Bringt neue Ideen ein | Unorthodoxes Denken | Oft gedankenverloren |
Wegbereiter/Weichensteller | Entwickelt Kontakte | Kommunikativ,
extrovertiert |
Oft zu optimistisch |
Koordinator/Integrator | Fördert
Entscheidungsprozesse |
Selbstsicher,
vertrauensvoll |
Kann als manipulierend
Empfunden werden |
Macher | Hat Mut, Hindernisse
Zu überwinden |
Dynamisch, arbeitet
Gut unter Druck |
Ungeduldig, neigt
Zu Provokation |
Beobachter | Untersucht Vorschläge
Auf Machbarkeit |
Nüchtern, strategisch, kritisch | Mangelnde
Fähigkeit zur Inspiration |
Teamarbeiter/Mitspieler | Verbessert Kommunikation, baut Reibungsverluste ab | Kooperativ, diplomatisch | Unentschlossen in kritischen Situationen |
Umsetzer | Setzt Pläne in die Tat um | Diszipliniert, verlässlich, effektiv | Unflexibel |
Perfektionist | Vermeidet Fehler, stellt optimale Ergebnisse sicher | Gewissenhaft, pünktlich | Überängstlich, delegiert ungern |
Spezialist | Liefert Fachwissen und Informationen | Selbstbezogen, engagiert, Fachwissen zählt | Verliert sich oft in Details |
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