Nach meinem Gespräch mit Dennis Zimmermann (zum Insiderbericht) blieben in meinem Kopf einige Fragen offen. So fragte ich mich, ob es wirklich die Erfolglosigkeit war, die am Ende dazu führte, dass er alles aufgegeben hat? Oder konnte es sein, dass er schon länger an depressiven Verstimmungen litt, die ihn quälten und ihn nicht los ließen? Was, wenn die Geschichte, die wir erzählen wollten, vielleicht nicht die Geschichte seines Lebens war!?
Zum Thema: Grenzen und Potentiale der Sportpsychologie
Im Nachhinein kann Dennis nicht mehr sagen, was zuerst kam. Er sagt, dass er wusste, es stimmte etwas mit ihm nicht. Aber er wusste überhaupt nicht, was mit ihm los war und wo genau er passende Hilfe finden würde. Er weiß nicht mehr, welches Gefühl zuerst in seinem Kopf war und am Ende seinen ganzen Körper so durchdrungen und gelähmt hat, dass er so große Not spürte.
Dennis Zimmermann: NO REGRETS! (Warum fragen wir nicht einfach die Besten? Episode 2)
Dann habe ich mich gefragt, ob seine engsten Vertrauten vielleicht etwas haben erkennen können, in dieser Zeit vor dem 24.07.2011. Gab es Anzeichen einer Veränderung, sogar Anzeichen für eine Depression?
Nie allein
Und so ergab sich auch nach diesem Interview die wundervolle Möglichkeit, dass ich die Mutter von Dennis kennenlernen und all meine Fragen loswerden konnte. Danke, liebe Sabine, dass du jede noch so kritische Frage zugelassen hast und mich hast spüren lassen, dass Dennis zu keiner Zeit, egal wie dunkel es war, alleine war!
In diesem Gespräch mit der Mutter von Dennis erzählte sie mir zu Beginn davon, wie sie meinen Artikel über Niklas Römer gelesen hatte und dachte, dieser könnte auch über Dennis handeln. Es gäbe so viele Parallelen, was diese „Besessenheit“ und enorme Strebsamkeit angeht.
Direkter Weg zum Stipendium
Football kam für Dennis immer an erster Stelle. Auf die Schule hatte er nie wirklich Lust, das Training war das Highlight seines Tages. So gab es sogar einen Besuch bei einem Schulpsychologen damals. Dieser berichtete der Mutter anschließend, dass Dennis sein Abitur mit links machen könne, dass er dies aber mit Sicherheit nicht tun würde, weil er darin erst einen Mehrwert und Sinn für sich erkennen müsste – diesen sehe er aber nicht.
Aber dieser Fokus auf den Sport lohnte sich für ihn auch immer. Er ist immer der Held gewesen. Als er mit 16 Jahren das NFL Stipendium für zwei Jahre in Amerika bekam, hat sie als Mutter sofort zugestimmt, egal wie schwer ihr es auch viel. Bei jedem Spiel war sie entweder im Stadion dabei oder verfolgte es im Internet auf irgendeinem Livestream.
Alle Augen auf den Quarterback
Und deshalb erinnert sie sich so unheimlich gut an den Moment, als auch ihr wirklich klar wurde, dass etwas nicht stimmte. Es war ein Heimspiel in Braunschweig. Sie saß auf der Tribüne, als plötzlich einer der eigenen Fans sich darüber äußerte, dass „dieser Dennis Zimmermann eh überhaupt nichts mehr hinbekomme“ und „er gefälligst gefeuert werden soll“. Und „was er denn für ein unheimlich schlechter Spieler sei, der nichts hinbekomme.“
„In diesem Moment ist mein Herz gebrochen“, erzählt Sabine. „Mein Sohn tat mir so unheimlich leid und zum ersten Mal konnte ich all den Druck auf seinen Schultern spüren.“ In dieser Zeit machten nämlich auch die Trainer und einige der Spieler Dennis ganz allein für die Erfolglosigkeit der Mannschaft verantwortlich. „Das ist eben die Schattenseite dieser Position. Alle Augen auf den Quarterback – und eben auch alle Erwartungen.“
Dennis im Treibsand
„Und ich sah meinen Sohn in dieser Zeit an und hatte das Gefühl, er stecke im Treibsand. Je mehr er versuchte sich aus der Situation zu befreien, umso tiefer versank er darin. Und Dennis zog sich immer weiter zurück, entfernte sich vom Team, eigentlich von allem. Vor und nach den Spielen saß er abseits vom Team, hörte Musik, war in sich gekehrt. Und als Mutter zu sehen, dass dein Kind untergeht, war kaum auszuhalten. Ich habe mich wahnsinnig hilflos gefühlt.“
„Als ich gehört habe, dass es jemanden gibt, dem Dennis seine Geschichte nach all den Jahren erzählen möchte, war ich so dankbar, dass sich da jemand die Mühe macht, mal hinter das Pad und den Helm zu schauen. Und ich wünsche mir, dass es vielleicht nur einen jungen Spieler gibt, dem Dennis mit seiner Geschichte helfen kann, in schwierigen Situationen einen guten Weg für sich zu finden. Und einen Experten an seiner Seite zu haben, der diesen Weg begleitet.“
Und genau dafür soll diese Geschichte erzählt worden sein – um zu helfen!
Sportpsychologie als Teil des Footballs?
Aus sportpsychologischer Sicht bin ich mir sicher, dass Dennis‘ Geschichte ein großes Beispiel dafür ist, dass die Sportpsychologie ein fester Bestandteil des Footballs sein muss.
In meiner Arbeit begleite ich viele Trainings, vor und während der Saison. Dabei beobachte ich die Spieler und Trainer genau: Ihre Körpersprache, ihre Kommunikation, Veränderungen ihres Verhaltens. Diese werte ich in Einzelgesprächen gemeinsam aus und arbeite diese auf. Ich bin mir sicher, dass ich mit dem professionellen Blick einer sportpsychologischen Betreuerin Veränderungen an Dennis früh gesehen hätte und ihn dann gezielt angesprochen hätte.
Die Grenzen der Sportpsychologie
An dieser Stelle gibt es eine entscheidende Frage für den Experten: Wäre es damals so gewesen, dass Dennis depressive Züge vorweist, so hätten wir die Grenzen der Sportpsychologie dahingehend erreicht, als dass wir nicht klinisch arbeiten. Allerdings hätte ich ihn begleitet auf seinem Weg zu Fachleuten und Experten, damit er die Hilfe bekommt, die er so dringend gebraucht hätte. Aber hätte ich festgestellt, dass er mit der Erfolglosigkeit nicht klarkommt und mit dem damit verbundenen Druck, so wären wir mittendrin gewesen in einem spannenden sportpsychologischen Thema und hätten früh gemeinsam einen Kurswechsel anstreben können.
All ihr fantastischen Sportler, ihr starken QB’s da draußen – passt gut auf euch auf und ganz egal, wie schwer es auch manchmal sein mag, gebt niemals auf!
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