Machen wir einen Test: Denken Sie an die italienische Fußball-Nationalmannschaft und fragen Sie sich bitte, was dieses Team bei der aktuellen Fußball-Europameisterschaft bislang ausmacht? Als Erstes haben sie vielleicht an die defensiven Qualitäten gedacht, dazu vielleicht an den tollen und offenkundigen Teamgeist der Squadra Azzura. Spätestens an dritter Stelle sollten Sie auf Gianluigi Buffon gekommen sein – zumindest hätte der 38-jährige Torhüter der Italiener dies verdient. Es ist atemberaubend, wie sympathisch Buffon seine Rolle als Führungsspieler interpretiert und das italienische Team durch das Turnier leitet.
Zum Thema: Wie können Trainer das Führungsverhalten bei ihren Schützlingen fördern?
Die Rolle einer Führungsperson auszufüllen, gehört quasi per Definition zu den Aufgaben eines richtig guten Torwarts. Was heißt das aber konkret, was sollen die Keeper auf den Platz bringen? Man kann im Grunde genommen über zwei Facetten bzw. Aufgaben sprechen. Erstens geht es darum, dass der Torwart seine Mitspieler aktiv mit Körpersprache und Gestik coacht und das Spiel steuert, da er einen guten Überblick über die Aufstellung, die Positionierung und das taktische Verhalten hat. Zweitens sollte der Tormann als Führungsperson in der Lage sein, seinen Mitspielern emotionale Unterstützung zu geben. Er sollte eine selbstbewusste kämpferische Einstellung haben und diese auf die Mannschaft übertragen können. Insbesondere bei einem negativen Spielverlauf, wie z.B. bei einem unerwarteten Spielsystem des Gegners, einem schnellen Gegentor, einer Unterzahl. Die Rolle des Tormanns besteht darin, in solchen Krisensituationen seinem Team den Weg aus dieser Situation zu zeigen, die Mannschaft anzutreiben und zu pushen (Abdullaeva, 2015).
Guianluigi Buffon erfüllt diese Ansprüche bei der Fußball-Europameisterschaft idealtypisch. Aus meiner Sicht eignet er sich trotz seines hohen Sportleralters auch für die Jüngsten als großartiges Vorbild – zögern Sie also nicht, ihren Nachwuchstorhütern zu raten, beim Spiel Deutschland gegen Italien – trotz aller emotionalen Bindungen zu Manuel Neuer – genau auf den italienischen Keeper zu achten. Darüber hinaus geben wir Ihnen einige Möglichkeiten in die Hand, welche Sie als Trainer anwenden können, um effektiv und gezielt mit ihren Torhütern zu arbeiten.
Die Rollendefinition
Erste Möglichkeit, Führungsverhalten bei Ihren Schützlingen zu fördern, besteht darin, sie über ihre Rolle ganz konkret aufzuklären. Dieses Rollenverständnis bedeutet, dass „der Spieler genau weiß, welche Verhaltensweisen von ihm erwartet werden und in welcher Form er seine Fähigkeiten einsetzen kann“ (Baumann, 2008, S. 28). D.h., Sie als Torwarttrainer sollen dem Torhüter Ihre Rollenerwartungen vermitteln. Dies können Sie beispielsweise in Form eines Anforderungsprofils mit einer genauen Aufgabenübersicht machen. Wichtig ist, dass der Torwart weiß, welche Handlungsaufgaben in welchen Situationen er als Führungsspieler hat: z.B. wie sieht mein Verhalten als Führungsspieler aus, wenn meine Mannschaft unerwartet hinten liegt? Im Spiel lässt sich in einer solchen Situation gut mit vorher zurecht gelegten Ansagen und konkreten Handlungsanweisungen arbeiten, die sich auf konkrete Spielsituationen beziehen.
Schaffen Sie Rollenzufriedenheit
Die zweite Möglichkeit, das Führungsverhalten beim Torwart zu stimulieren, besteht darin, die Rollenzufriedenheit zu fördern. Es soll dem Torwart Spaß machen, eine Führungsposition zu übernehmen. In der Regel bringt eine Führungsposition sehr viel Verantwortung mit sich und kann langfristig für die Psyche sehr belastend sein (Joiko, Schmauder, Wolff, 2010). Wenn Sie als Trainer dafür sorgen, dass der Torwart mit seiner Führungsrolle zufrieden ist, dann setzen Sie eine gegenwirkende Maßnahme zur psychischen Ermüdung Ihres Torwarts ein. Die Zufriedenheit mit der Rolle kann man durch vier Aspekte steigern (Carron, Hausenblas, Eys, 2005):
- Nutzen Sie seine eigenen Fähigkeiten. Die Erarbeitung eines eigenen Stils als führender Spieler auf dem Platz soll auf den Fähigkeiten, Vorzügen und Stärken jedes Torwarts basieren;
- Geben Sie ihm regelmäßig Feedback und Anerkennung. Ein gerechtes Lob des Torwarts angesichts seines Führungsverhaltens fördert ihn hinsichtlich einer Aufrechterhaltung des jeweiligen Verhaltens;
- Betonen Sie die Wichtigkeit der Führungsrolle. Die positiven Konsequenzen der Führungsrollenübernahme für die Mannschaft sollten geklärt werden. Außerdem ist es empfehlenswert, die negativen Konsequenzen darzustellen, wenn z.B. ein Torwart ein passives Verhalten im Spiel zeigt;
- Heben Sie seine Autonomie hervor. Es soll der individuelle Beitrag eines Torwarts als führender Spieler im Bezug auf das Mannschaftsziel hervorgehoben werden.
Zum Führungsspieler werden
So weit die Maßnahmen zur Förderung des Führungsverhaltens bei einem Torwart, welche Sie als Trainer selbst in Ihre Arbeit implementieren können. Hier wird freilich davon ausgegangen, dass der Torwart auf Basis seiner Persönlichkeitsveranlagung in der Lage ist, eine Führungsrolle und Verantwortung für sich und die anderen zu übernehmen. Wenn aber ein Torwart aufgrund eigener Persönlichkeitseigenschaften gewisse Schwierigkeiten mit der Übernahme der Führungsrolle hat, beispielweise, weil er verantwortungsscheu ist, dann ist es eher die Aufgabe eines Sportpsychologen, diese Persönlichkeitseigenschaft zu fördern. Viel Spass beim Ausprobieren!
Quellen:
Abdullaeva, E. (2015). Psychologisches Anforderungsprofil des Torhüters im Fußball. Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, unveröffentlichte Masterarbeit.
Baumann, S. (2008). Mannschaftspsychologie. Methoden und Techniken (2. Aufl.).Aachen: Meyer & Meyer
Сarron, A.V., Hausenblas, H.A. & Eys M.A. (2005). Group Dynamic in Sport (3. Ed.). Fitness Information Technology, Inc: USA.
Joiko, K., Schmauder, M., Wolff, G. (2010). Psychische Belastung und Beanspruchung im Berufsleben. Erkennen – Gestalten(5. Aufl.). Dortmund
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Toller Artikel
Fand ich gut zu lesen
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sodass braucht es in jedem business
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