Ruud Vreuls: Malandas drei Punkte-Rettungsplan

Neue Saison, neues Glück. So dachte wohl auch Junior Malanda, Spieler des VfL Wolfsburg. Der gebürtige Belgier machte beim Pokal-Halbfinale gegen Dortmund im April ein Riesenspiel, versemmelte aber seine Großchancen. In den bisherigen Bundesliga-Spielen führte er dieses Muster nahtlos fort: Gute Leistungen, krasses Versagen vor dem Tor. In der Liga hat sich Malanda jetzt schon einen Namen gemacht – allerdings als „Tor-Tollpatsch“. Daran kann gearbeitet werden.

Zum Thema:  Worauf müssen Spieler achten, um einen wichtigen Torschuss erfolgreich zu verwandeln?

Bernard Malanda-Adje, wie sein vollständiger Name lautet, hat zum Anfang der Bundesliga-Saison da weiter gemacht, wo er letzte Saison aufgehört hat: Größte Chancen ungenutzt zu lassen, meistens auch noch auf eine ungeschickte Art und Weise. Für den neutralen Zuschauer vielleicht belustigend, für ihn und die Fans der Wölfe sehr ärgerlich. Es ist noch nicht sehr lange her, als der belgische U21-Nationalspieler zwei sehr große Chancen im Pokal-Halbfinale gegen Borussia Dortmund verpasst hatte. Diese Bundesliga-Saison hat er bereits in zwei Spielen wieder 100-prozentige Torchancen liegen lassen. Sowohl im Auftaktspiel gegen Rekordmeister FC Bayern München als auch gegen Eintracht Frankfurt gelang es ihm nicht, trotz bester Einschussmöglichkeiten, zu treffen. Hätten seine Schüsse das Ziel gefunden, wären die Wölfe momentan auf Platz zwei der Tabelle und Junior Malanda ein Stern am Bundesliga-Himmel der jungen Saison. Allerdings kann Malanda geholfen werden, der schlicht selbstsicherer im Spiel und vor allem vor dem Tor werden muss.

Zusätzlich zum sportlichen Training gibt es zahlreiche sportpsychologische Strategien, die man trainieren kann, um dieses Ziel zu erreichen. Selbstsicherheitstraining ist eine von diesen Strategien. Für dieses Training sind lediglich zusätzliche Videoaufnahmen notwendig, da in den meisten Fällen, wie bei Junior Malanda, die Körpersprache eine wichtige Rolle spielt und der Spieler sich dessen bewusst werden muss. Aufgepasst: Bei all seinen Torchancen war zu sehen, dass sein Kopf beim Schuss nach unten gerichtet war. Genau diese Körperausstrahlung zeigt, dass er – von außen betrachtet – mit der Situation überfordert war. In dieser wichtigen Situation scheint er selbst nicht von seinen eigenen Fähigkeiten überzeugt zu sein, so dass er sich während des Torschusses zu sehr auf die Gesamtsituation und zu wenig auf sein eigentliches Ziel fokussiert. Wenn man sich während so einer Situation auf das Ziel konzentriert, hat man idealerweise den Kopf oben und automatisch die Brust voraus. Diese drei Aspekte machen das Selbstsicherheitstraining aus: Kopf hoch, Brust raus, Fokus schaffen. (Hinweis: Im Blog von Christian Reinhardt wird die Bedeutung der Körpersprache noch tiefergehend erörtert.) Werden die drei Tipps (Kopf hoch, Brust raus, Fokus schaffen) umgesetzt, demonstriert dies nicht nur Selbstsicherheit nach außen, es wirkt sich auch auf die Person selber aus. Diese Strategie kann man während des Trainings gut üben und umsetzen. Ob es sich jetzt um einen Pass, einen Torschuss oder einen Elfmeter handelt, völlig egal – Ziel ist es, sich die drei Punkte vor Augen zu führen. Im Verlauf merken die Spieler, dass diese Umsetzung immer leichter fällt und sie sich in kurzer Zeit sicherer fühlen. So werden die Akteure schnell merken, dass der Ablauf der drei Punkte automatisch passiert. Sitzt der Automatismus, spart der Spieler im Ergebnis dessen sogar wichtige Zeit, die er nutzen kann, um sich schon auf die nächste Situation vorzubereiten.

Die Sache mit dem Druck

Mal ganz allgemein: Ein Spiel besteht aus vielen verschiedenen Situationen. Im Grunde genommen ist jede Situation im Spiel gleich, entscheidend ist nur, wie wichtig der Ablauf der Situation für das Spiel ist. Ein Beispiel: Ein Abstoß vom Torhüter ist im Grunde nichts anderes wie ein Torschuss, nur das Ergebnis ein anderes darstellt. Ein erfolgreicher Abstoß bedeutet, dass der Ball beim Mitspieler ankommt, ein erfolgreicher Torschuss allerdings wird ein Tor und hat damit mehr Bedeutung. Obwohl ein Torschuss somit im ersten Augenblick mehr Bedeutung hat, muss auch der entscheidende Pass  erfolgreich sein, um überhaupt die Möglichkeit eines Torschusses zu schaffen.

Die Chancen, die Junior Malanda bis jetzt verpasst hat, waren alle von großer Bedeutung. Und genau das wusste er auch als er versucht hat, den Ball ins Tor zu schießen. Er hat sich die Wichtigkeit, das Tor zu machen, vor Augen geführt, was dafür gesorgt hat, dass der Druck, das Tor auch wirklich zu treffen, enorm war. Im Leistungssportbereich ist der Druck, Leistung zu bringen, sehr hoch und Junior Malanda hat sich selbst wahrscheinlich noch mehr Druck auferlegt. Nun steckt er in einem Teufelskreis: Denn im Ergebnis hat er nicht nur kein Tor erzielt, sondern es ist noch mehr Stress bei Junior Malanda und ein erhöhter Druck beim nächsten Versuch entstanden.

Die Lösung für sein Problem steckt in einem Zitat von Johan Cruijff: „Jeder Nachteil hat auch seinen Vorteil.“ Denn im Spiel werden immer wieder solche Situationen auftreten und die Möglichkeit besteht natürlich auch, dass er erneut nicht treffen könnte. Junior Malanda kann allerdings selbst Einfluss darauf nehmen, wie er mit den Situationen umgehen wird. Wenn er sich während der Situation auf die drei vorher genannten Punkte des Selbstsicherheitstrainings konzentriert, wird der Druck automatisch weniger groß sein. Außerdem muss der Spieler lernen, solche Situationen zu relativieren. All diese Situationen finden auch im Training statt und können als Vergleich  dienen. Aller Wahrscheinlichkeit nach wird er die Chancen im Training fast alle erfolgreich zum Tor verwandeln, da hier der Druck nicht so groß ist, um das Tor unbedingt treffen zu müssen. Mit Hilfe von sportpsychologischen Strategien kann letztendlich dafür gesorgt werden, dass ein Spieler wie Junior Malanda diese Trainingsleistung auch auf den größten Fußballbühnen abrufen kann.

 

Views: 224

Mathias Liebing
Mathias Liebinghttps://www.torial.com/mathias.liebing
Redaktionsleiter bei Die Sportpsychologen und freier Journalist Leipzig Deutschland +49 (0)170 9615287 E-Mail-Anfrage an m.liebing@die-sportpsychologen.de

1 Kommentar

  1. Guter Artikel!

    Natuerlich stehen Fussballprofis unter immensem Druck und psychologisches Training, das hilft diesen Druck in Strsssituationen zu verarbeiten ist ein wichtiger Bestandteil, die Selbstsicherheit der Spieler zu erhoehen.
    Ich denke aber auch, dass ein sehr entscheidender Faktor der Umgang der Trainer mit Fehlschuessen ist. Eine gute Fehlerkultur innerhalb der Mannschaft zu etablieren, Fehler zuzulassen und den Spielern schnell wieder Chancen geben Erfolgserlebnisse zu sammeln ist meines Erachtens genauso wichtig wie psychologisches Training. Nur wenn beide Faktoren Hand in Hand zusammenspielen, wird der Spieler schnell seine Unsicherheit verlieren.

    Fabian

Kommentarfunktion ist geschlossen.